Blog

DAR ES SALAAM

Sonntag, 25.08.2012

Chaos im friedenshafen

Nach holprigen Überstunden auf kapriziösen Straßen, minikurzem, halbdurchsichtigem Nervenkostüm dank 6-wöchigem Schlafentzug, 525 hysterisch ansprintenden "Givememymoney-"kreischenden Kindern und allgemeiner Gereiztheit aufgrund schlechter körperlicher Verfassung kommen wir an der Grenze im illusorischen Nichts an.

Pure Vegetation zwar, üppige Reisfelder, buschige Palmen, überwucherte Bananenstauden, doch sonst – das große Nichts. Im dschungelreichen Nicht-Universum jedoch steht die einzige Verbindung von Mozambique nach Tanzania in Form einer pompösen Brücke. Nach zwei Tagen löchriger Schotterstraßen erscheint urplötzlich vor unseren ungläubigen Augen eine Autobahn im Dschungel, das Schütteln hört auf. Aus meinem Kopf blubbern drei fette Fragezeichen, auch die Workoholic-Stoßdämpfer schauen sich Schraubenschüttelnd an und beschliessen für heute Feierabend. Anschließend biegen sie links ab, gleiten Rollerblades-gleich vier lange, himmlisch stille Kilometer auf dem Flüsterteer dahin, bis sie auf die Grenze treffen. Dort übergeben wir einem Zollbeamten 50 $ Einreisegebühr, rollen weitere vier Kilometer auf gedämpftem Teer dahin und dann geht das Gerüttele von vorne los. Nochmal 70 Kilometer Dreck, Löcher, Schlag und Nervenentzug.

Am Tag darauf erreichen wir endlich Dar Es Salam, das heisst zu Deutsch „Hafen des Friedens“ und sind binnen kürzester Zeit überzeugt vom Gegenteil. Es herrscht Car-War! In knappen vier Stunden sehen wir fünf Unfälle mit anschaulichem Sozialverhalten-Totalausfall!

Als dann die neue SIM-Card für´s Handy nur in Swahili erhältlich ist und das Menü fortan nicht mehr bedienbar, bin ich selbst kurz vorm Ausrasten.

Doch was soll´s? Sansibar liegt in Reichweite. Schönes, inseliches Sansibar! Wir beschliessen in Fanta4-Worten „das ham´wer uns verdient“, suchen nach einem privaten Boot, werden bei Wahid fündig und mieten ihn plus Kahn für 130 Dollar. Vier Stunden soll die Überfahrt dauern; Boot, Zeit, Kosten und Kotzen wollen wir uns mit Malin und Espen teilen. Gesagt, getan. Morgen geht’s nach Sansibar...

Sansibar I

Samstag, 01.08.2012

Theory-Reality-Check

Sansibar! Während das hingehauchte Wort sehnsüchtig-schmachtend auf meiner Weisswein-beträufelten Zunge zerfließt, produziert mein wunderhafter Kopf wild-flackernde Bilder in schillernden Farben und scribbelt idyllische Paradiese, in denen meterhohe Puschel-Palmen keine untergeordnete Rolle spielen.

Ich hole die interaktive Aquamarin-Sienna-Mandelweiss-Palette heraus und schütte enthusiastisch Knaller-Pigmente über aufregende Seefahrer-Abenteuer und gebauschte Segel, während der glasierte indische Ozean darunter schimmert wie ein lichtbrechender Smaragd.

Sansibar! Mein dekoratives Insel-Paket ist natürlich artistisch verschnürt mit ultrasinnlichen Düften exotischer Gewürze wie Nelken, Curry, Muskat, blühenden Frangipaniblüten und überhaupt verdammt tropischer Überwucher-Vegetation. Sansibar! Ich nehme einen Zug Salz auf Lunge. Mein ultraeigenes Kopfkino zeigt Übersee im Drei-Minuten-Teaser:

weisse Endlos-Strände, türkises Meer das daran leckt, sich stilvoll im Wind wiegende Palmen, romantische Sonnenuntergänge mit Scherenschnitt-Segelbooten. Exotik pur! Es prickelt!

Warum ich das immer wieder tue wird wohl für alle Zeiten eines der verwirrenden Geheimnisse meines Gehirns bleiben. Denn: das war die Theorie. Und die war heute morgen, 9.00 Uhr.

Die Realität von heute mittag, 12.45 Uhr Sansibar-Zeit sieht so aus, als hätte Einer den Badewannen-Stöpsel gezogen. Schöne Wanne zwar: Rand aus solidem Blau, am Boden ein plakatives Weiss mit braunen Sprenkeln, die Wände bespickt mit Ornamenten aus mattem Palmgrün. Trotzdem, das Wasser läuft aus. Nur ohne schlürfendes Geräusch. Das stammt von mir und meiner Pina Colada. Wasser: weg. Zurück bleibt sandig-lehmiger Wannenboden, in dem Kinder und Frauen nach Muscheln buddeln. Der ist nämlich gepflastert mit fischigen Lebenwesen und ungefähr 12.000 fiesen schwarzen Seeigeln, spitzen Korallen und vier Millionen Tonnen Seegras. Das stinkt. Gewaltig! Von wegen sinnlicher Duft! Der klatscht mir mehr wie eine saftige Ohrfeige ins verschwitzte Gesicht.

In Nungwi, was so illustrativ vorgestellt auf 12.00-14.30 Uhr der Insel liegt, also grob im Nordosten, logieren wir für 50 Dollar im Tanzanite Beach Resort. Nach über vier - erstaunlich kotzfreien - Stunden auf hoher See, rundherum dunkle, wabernde Masse kroch ganz langsam ein klitzekleiner Streifen Hellblau heran, das Pastell dunkelte nach, der Weichzeichner verschwand, die Insel erschien. Die Farbe des Ozeans changierte vom dicken, schweren Tintenschwarz hin zum leichten, zart grünlich durchscheinenden Organza-Aquamarin. So weit, so gut! „Nungwi!“, bellte da unser Captain, warf den Anker, die Rucksäcke und uns hinaus.

Und so standen wir ganz plötzlich auf Sansibar. Entgegen aller Erwartungen der Lonely Planet-Redaktion wurden wir nicht ausgeraubt und über Board geworfen (wie alle anderen), sondern unplanmäßig in Flip Flops und mit Kameras auf der Insel abgesetzt.

Der Zufall wollte es so, dass wir unseren Freund Flo nicht in München, nicht in Regensburg und auch nicht in Hinterhugeldapfing, sondern auf Sansibar nach über zwei Jahren wiedertreffen! Die Freude ist groß, das Dinner sagenhaft, am Strand, bei Kerzenschein, Romantik und wie blöde scheinendem Mond. Sansibar-Kopfkino-Wunschbild Nummer 4 passt, ich zeichne geistig ein Häkchen ins Kästchen: romantische Sonnenuntergänge mit Scherenschnitt-Segelbooten. Korrekt!

Sansibar II

Sonntag, 02.09.2012

Naomi im Bikini
& Feuer unter WAsser

Das Frühstück am nächsten Morgen übertrifft meine gierigsten Vorstellungen. Mehr noch: ich lege mich gleich hinein! Ich weiss sofort, ich bin definitiv zu lange campend unterwegs, denn schon beim fernen Anblick fange ich an zu sabbern: Banana-Chocolate-Pancakes! Butterkekse! Passion-Fruit-Mango-Marmelade! Gepresster Ananas-Saft. Banana-Chocolate-Pancakes! Leichtes Vanille-Gebäck. Knusprige Süßtaschen. Frische Früchte und Hershey´s Choco-Sirup! Banana-Chocolate-Pancakes! Ach so, ja und auch Würstchen, Gemüse und Bohnen oder Eier in jeglicher Konsistenz für die Herzhaften (also die anderen).

Mal abgesehen vom Beach, der im Moment nicht sichtbar ist, ein Traum. Dafür ist das Meer da. Türkis, schimmernd, schillernd, perfekt. Jetzt mal so, im Augenblick. Ich schaue auf die Uhr im Restaurant. Robotergleich blinkt die eine digitale 8:00. ACHT!

Ich wiederhole: es ist acht Uhr morgens, ich sitze vor dem Traumfrühstück auf Sansibar und nun wäre der perfekt Moment für den erfrischenden, aber absolut tödlichen Sprung ins Meer. ACHT UHR MORGENS. Ich meine, das geht doch nicht. Echt nicht. Wer um Himmels Willen bringt es ernsthaft fertig, um acht Uhr morgens schwimmen zu gehen?

Unglaublicherweise entdecke ich in den Fluten ein paar Hotelgäste. Die sind mir sofort unsympathisch und suspekt. Ich für meinen unspektakulären Halbtraum-Strich-Koma-Teil kann um diese Zeit ganz schwer „Guten Morgen“ herauspressen, geschweige denn völlig nass nach dem Live-Guard winken. Wenn ich den sicheren Bein-Magen-und Atemkrampf kriege gehe ich einfach unter. Still und leise. Da lege ich mich lieber in die Schokosauce. Baden in Hershey´s Sirup!

Nach dem Frühstück hat der Allmächtige wieder den Stöpsel gezogen, das Meer ist weg. Aber total. Klar wussten wir von heftigen Gezeiten auf Sansibar, man ist ja vorbereitet – aber dass das Meer gleich komplett weg ist, kilometerweit, unerreichbar weit?! „Gone she is“, würde Loddar Maddäus an dieser Stelle sagen. Kann man nichts tun, ausser die Hängematte ausprobieren, ein Buch am Exchange eintauschen, die erste Pina Colada bestellen und die Sonne hier liebhaben. Die ist jedenfalls bei uns geblieben. Wenigstens die.

Nach drei Tagen und gefühlten fünf Überkilo dank der bösen, bösen Breakfast-Pancakes, allerdings auch klug ausgeleveltem Omega3-Fischöl-Körpergehalt und irre viel Meeres-Mineralien dank Lunch-King-Prawns und Dinner-Thuna nehmen wir die Fische mal in ihrem natürlichen Habitat unter die Lupe. Und specken wieder ab.

Bei „Zanzibar Watersports“ buchen wir zwei Tauchgänge am idyllischen Mnemba-Atoll ($110). Die traumhafte Koralleninsel erscheint nach nur einer Bootstunde aus dem Nichts, wie ein Goldstück im grünen Meer, sich wiegende Palmen und ein vorgelagerter ellenlanger weisser Puderzuckerstrand – den man leider nicht betreten darf. 1200 Dollar kostet die Nacht auf dieser Privat-Insel. Naomi Campbell, Kate Moss und Linda Evangelista sollen dort abwechseln ihre Luxuskörper in der Sonne wenden und gleich die ganze Insel mieten. Zum Glück, kann ich da nur sagen, darf ich nicht da drauf. Wer liegt schon freiwillig im Bikini neben Naomi?!

Sagenhafter Rabatz unter Wasser: bunte Korallen, weiche Fächerpflanzen, wirbelnde Fische, glänzende Tausender-Schwärme ziehen vorbei, zwei Schildkröten winken uns zu und drei Millionen Wasserbewohner gehen ihrem Alltagstrott nach. Business as usual. Ein Oktopuss ändert in Panik seine Tentakel-Farbe, als er uns anblubbern sieht, hunderte Engels-Fische schwimmen graziös vorbei, leuchtend gelbe Nemos, silbrig schimmernde Trompeten-Fische, der eher unscheinbare sand-camouflage getarnte Steinfisch, ein paar giftige Lion-Fische, mit ihren eleganten Fahnen, Regenbogen-bunt schillernde Papageienfische, gepunktete Moränen, kultig quadratische Box-Fische, allgegenwärtige Angler-Fische, und X-Andere Fische, keine Ahnung, wie die so heissen. Farbtechnisch alles dabei: von schwarz-gelb-weiss über Zebra-Muster bis hin zu rottigem Blattgrün und schreiendem Feuerrot! Absoluter Malediven-Vielfaltvergleich!

Kurz nach dem Tauchgang und wohl verdientem Krabben-Cocktail im Stelzen-Restaurant stehe ich nun nach 250 „Jambo´s“ (das „Hallo“ auf Swahili) und 105 „Karibu´s“ („Willkommen“, gemeint ist „Kauf jetzt. Irgendwas. Hier. Bei mir. Verdammt.“) im Shop kurz nach dem schmuckigen Accessoire-Laden (ja, ja, Armband und Kette erstanden, plus Strandhose) und blättere liebliche Postkarten-Motive am Ständer durch. Was muss ich sehen: weisse Endlos-Strände, türkises Meer das daran leckt, sich stilvoll im Wind wiegende Palmen, romantische Sonnenuntergänge mit Scherenschnitt-Segelbooten!

Ha! Hab ich doch gesagt!! Ich blicke hinaus auf´s Meer, versuche es zu finden, irgendwo da draussen, ich presse die Lider zu schmalen Schlitzen und werde im klitzekleinen türkisen Streifen kurz vor dem unscharfen Horizont und weit nach dem Seeigel-durchsetzten Korallen-gespickten Sand fündig. Wieder zurück zur Postkarte. Direktvergleich. Blick runter. Blick hoch. Karte. Realität. Ja, naja, so grundsätzlich jetzt mal... also, stimmt schon. Nur eben das Meer. Weg. Fehlt. Verdammt!

Egal, wir sind erstmal fertig mit den Stränden, Ständen, Jambos und Seeigeln und haben Bock auf Kultur – und davon soll Sansibar in Stone-Town ja so Einiges zu bieten haben.

Sansibar III

Dienstag, 04.09.2012

Stein-StAdt, Holz-TÜren & Bed-Bugs

Also geht’s per Taxi ab in die historische Altstadt Sansibars, um in Stone-Town zu bummeln, Bed-Bugs zu sammeln, Knöchel in schmalen, schattigen Jambo-Rufer-Gässchen zu verstauchen und jede Nacht Punkt vier dem hingebungsvollen Muezzin-Ruf von der Moschee gegenüber zu lauschen. Eine ist immer gegenüber. Egal, wo man steht.

Ausserdem werden wir wilde, abgefuckte Hausaneinanderreihungen bestaunen, Stromkabel-Verwirrungen bewundern, Patinas der nächsten Generation fotografieren, bunte Kikoy´s (fester Baumwollstoff, der von den Männern als Wickelrock getragen wird) und bedruckte Kanga´s (leicht durchsichtige Tücher, mit denen sich die Frauen komplett einwickeln) kaufen und wieder dem Muezzin-Teaser zuhören; wir wollen Exotisches Essen mampfen und der entrückten Taarab-Musik lauschen. Ausserdem gibt´s volles arabisches Programm mit Sitar, Geigen, Bass und Gesang auf die Ohren.

Nach dem Besuch einer Moschee, dem Beit-al-Sahel-Palast (mit Extra-Ausstellung zum Leben der entzückenden Prinzessin Salme) und dem von Sultan Bargash 1883 errichteten House of Wonders (auf klassizistischen Säulen errichtetes Gebäude, heute Museum) sind wir klüger und wissen nun:

wie wichtig die opulente Swahili-Tür für die Hausbewohner ist (je größer, desto reicher), wie oft man in die Moschee gehen sollte (damit´s auch zählt, mindestens 5-mal), wer der beste Ehemann ist (der seiner Frau die meisten Tücher schenkt!), wann Frau welche Farben des geliebten Kangas trägt (schwarz zur Menstruation, weiss während des Vollmonds), wie die Komplett-Hülle der Muslima heisst (Bui-Bui), wie erwünscht das für uns leidige Seegras ist (Mineralien und Spurenelemente für Medizin, Essen und Matratzenfüllungen), was man mit Kokosnüssen alles machen kann (alles!) und wie man eine Dhow baut (ultrakompliziert). Naja, und noch so einiges mehr.

Über 1300 Jahre lang bereisten Araber mit ihren bauchigen Holzgaleeren und dem traditionellen Lateinsegel die Küsten Sansibars, liessen sich irgendwann mehr oder weniger nieder und verknallten sich in local Girlies. Schwupps ein paar Jahrhunderte später prallen wir hinein ins kulturelle Potpourri, einfache Moscheen reihen sich an opulente Tempel und verschwenderische Kirchen. Inder, Chinesen, Perser, Europäer, Araber, Afrikaner und deren wunderschöne Misch-Sprösslinge leben gläubig aber friedlich nebeneinander und wir schlemmen im Fazit kulinarische Mix-Sahnehäubchen wie Pilaus (gewürzter Reis), Nyama Choma (Fleischspiesse), würzige Masala-Chicken in Bananen-Honig-Dressings, hotte Curries, fischige Kokossaucen, und stillen unseren Durst an kühlen Lassies (indischer Joghurtdrink), sprudelnden Serengeti´s (Bier) und frisch gepresstem Zuckerrohrsaft. Gepuzzelter Exotik-Traum.

Als es dunkel wird, schlendern wir über den Nachtmarkt der Forodhani Gardens, nach ein paar Runden über den quirlig-faszinierenden Markt hält jeder stolz sein Dinner in der Hand. Georg beisst schmatzend in die dicke Zansibari Pizza (2000 Shilling/1Euro, vor Ort in der Pfanne gebrutzelte Hackfleisch-gefüllte Teigtaschen), Malin knabbert knusprige Krabbenspiesschen mit Irgendwas-Soße, Espen nagt an der Languste und mir haut´s am frischen Thunfisch-Spiess dank Chillie-Mango-Chutney reihenweise die Geschmacksknospen raus. Totalausfall. Man reiche mir ein Lassie! Sofort!

Sansibar IV

Mittwoch, 05.09.2012

Dalla dallaS, Dhows & PalÄSTe

Am nächsten Tag hoppen wir auf ein verbeultes, überfülltes Dalla-Dalla, so heisst der hiesige Bus und ist eher Balla-Balla, zu einer Spice-Tour - ich will Kopfkino-Wunschbild Nummer 5, das „Exotik pur“-Kästchen abhaken.

So schnuppern wir 30 Minuten und fünf Nahtod-Erfahrungen später an frisch-herbem Koriander, schmalen dunkelgrünen Curry-Blättern, sind bei der pervers-künstlichen Befruchtung der hellen, länglichen Vanilleschoten live dabei, verziehen das Gesicht beim Kauen von rohen Ingwerwurzeln und brechen die dunkelrote Gummi-Frucht der intensiv duftenden Nelke ab. Erstaunlich war nicht nur die artistisch verpackte Muskatnuss in der Natur zu entdecken, sondern auch die Rinde eines Zimtbaumes zu riechen.

Cinnamon wird aus der Borke gewonnen, wobei ein schmales Rindenstück herausgeschnitten wird, das sich bei der Trocknung einrollt und das typische Zimtröllchen aus dem Supermarkt hervorzaubert. Tumeric hingegen schmeckt nicht, riecht nicht und hat auch sonst nichts hervorstechend Besonderes, ausser seiner knallgelben Farbe. Aus diesem Grund immer, wirklich immer in Curry-Mischungen zu finden – denn sonst wäre das Curry-Pulver grün. Dank der Zusammensetzung aus Tumeric, Kardamom, Cumin, Zimt, Nelken, Chillies, Coriander und Knoblauch jedoch schmeckt´s und sieht´s aus wie Curry. Lustig auch Anate: unser Guide nimmt die kleinen Milimeterkügelchen der Früchte eines Baumes heraus, quetscht sie zwischen den Fingern und Simsalabim hat er pure Farbe in der Hand. Auf Lippen und Lider aufgetragen ein sensationelles Gratis-Nature-Make-Up, was die Transe in der Gruppe auch gleich demonstriert. Wir sehen Chillischoten, Ananasfrüchte, Mahagonibäume und Teak, kosten frische Pfefferkörner, Zitronengras, Litschies, den anästhäsierenden Saft des Zimt-Baum-Astes, Kaffeebohnen und Kakaofrüchte.

Zum Abschluss der Spice-Tour werden wir nach halb-erzwungenem Curry-Pulver-Kauf, dem Herunterwürgen von tomatigem Zansibari Masala-Chicken, das aufgrund der Steinbeigabe beinahe im Massaker endete, an einem Mittelklasse-Strand abgeladen, wo zugegebenermassen das Meer noch knapp auf uns gewartet hat. Wir stürzen uns in die Fluten, der ältere Herr von Sitz 3 tritt in einen Seeigel, Regen setzt ein. Während der Opa mit frischem Papaya-Fruchtfleisch behandelt wird (wer hätte das gedacht?!) wirft der Rest der Gruppe einen Blick in die „Slave Caves“. Unterirdische Steinkäfige, ehemalige Sklavenkammern, in denen die Menschen vorübergehend vor dem Verkauf versteckt wurden. Ich kann nur kurz bleiben, denn die Luft ist stickig, schwül und knapp und sowieso machen mich Historien wie diese immer Kurzatmig und Gänsehautfühlig.

Ebenso wie der ältere Herr von Sitz 3 schnappe ich draussen nach Luft, doch Opi geht’s bald besser, das verzerrte Gesicht wandelt sich in zuckersüßes Lächeln, während er mir in gebrochenem Englisch mit Blick auf die Papaya auf seinem Fussballen flüstert: „Good! Takes pain away! And they say, it´s antiseptic.“. Mag ich ja mal so glauben, rate ihm trotzdem noch heute eine Apotheke aufzusuchen. Sicher ist sicher.

Zurück in der Stadt bricht schon wieder ein verheissungsvoller Abend mit seinem wundervollen orangerotglänzenden Schimmer herein und wir hechten die stilvollen Palasttreppen des „Africa Houses“ hinauf. Hier gibt’s den stimmungsvollsten Sonnenuntergang mit romantisch vorbeisegelnden Dhows. Schön ist auch die Werbeanzeige links von mir: „Gewinnen Sie noch heute und nur mit uns! Zansibari Lottery verlost einmal die Traumreise nach...“, ja und jetzt kommt´s, ich meine, wer will denn hier schon nach Hawaii, nein, hier ist der Mega-Preis deiner heissesten Träume, ja natürlich: „...Mekka!“.

Stonetown war berauschend, und das liegt nicht nur am Serengeti-Bier oder der Kokosbrause, nein, die seltsame Taarab-Musik zwitschert mir noch in den Ohren, der süße Duft der Räucherstäbchen kriecht in meiner Nase wie ein Jo-Jo rauf und runter, auf der Zunge liegt mir immer noch der würzig-scharfe Geschmack von den besten Curry-Coconut-King-Prawns meines Lebens und meine Beine freuen sich über die rosarote Jeannie-Hose die meine Knöchel so schön umflattert.

Bis auf das flammend rote Gebrenne der anhänglichen Bed-Bugs alles bestens. - Kleine fraghafte Notizen an mich: schliesst wahre Exotik auch bissige Insekten mit ein? Wieso kennt die Apothekerin kein Cortison? Und warum hilft Aloe Vera-Creme einen Scheiss?

Sansibar iV

Freitag, 07.09.2012

Paula & Heinzi, Aquarelle & Thermometer, Affen & Igel

Eine halbe Woche Steinstadt inklusive Bed Bugs ist genug, wir mieten uns für schlappe 30 Dollar ein Mietauto und düsen Richtung Südosten, um auch wirklich nichts von der zauberhaften Insel zu verpassen. Während ich mich apathisch hingebungsvoll am Arm kratze, quälen mich vielfältige Fragen aus breiten Themenbereichen:

wann verschwinden die brennenden Pusteln? Bleibt das Meer hier am Strand? War der "Blended Petrol" auch wirklich Benzin? Darf ich noch mehr Kästchen abhaken? Ich meine: weisse Endlos-Strände, türkises Meer das daran leckt, im Wind wiegende Palmen, romantische Sonnenuntergänge mit Scherenschnitt-Segelbooten. Exotik pur? Wann stoppt der Juckreiz?

Die komplette Ostküste ist im Grunde ein grandioser Postkarten-Endlos-Strand, dem ein Korallenriff vorgelagert ist – so zeigt´s jedenfalls die blau-grün-gelbe Karte im Reiseführer. Aber darauf wollen wir ja nach dem Postkarten-Desaster nicht mehr wirklich bauen. Auf dem Weg in der Mitte biegen wir ein in den Jozani-Forest, der einzig erhaltene Primärwald Zansibars, der unter Naturschutz steht und die Homebase für die endemischen Colobus-Monkeys darstellt.

Zu deutsch heissen die armseligerweise: roter Stummelaffe und deswegen vergessen wir das Wort auch gleich wieder. Laut Merkblatt soll´s auch noch den kleineren Sansibar-Leopard hier geben, die „blauen“ Sykes Monkeys, Dikdiks, Antilopen, Schlangen, etliche Vögel, Chamäleons und noch mehr Insekten. Letzteres kann ich bestätigen. Die vermehren sich gerade fröhlich juchzend auf meiner Haut mit den gestern frisch getauften Bed Bugs Paula und Heinzi.

Die Red Colobus-Monkeys sind mit nur noch 1500 Tieren extrem selten und nur hier auf Sansibar zu finden, ähnlich den Lemuren auf Madagaskar. Und das auch nur, weil sich die Inseln jeweils vom Festland abgespalten haben und so Platz für die spezifischen Artenentwicklungen machten. Auge in Auge mit den daumenlosen Affen macht Laune, wir gaffen, sie gaffen. Ich kratze mich, sie kratzen sich. Eine Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Ich versuche verzweifelt, Paula und Heinzi abzuwerfen. Spontane Migration? Doch mir scheint, sie wollen lieber bei mir bleiben.

Nach der Dschungeltour und einer weiteren Stunde mit dem ruckeligen Mietauto (Gott, wie geil sind denn unsere Vally-Stoßdämpfer eigentlich!?) haben wir die Ostküste erreicht und suchen das Meer. Auch hier hat es sich hinter dem Horizont versteckt, aber diesmal gehen wir es suchen.

Nach 627 Schritten und 432 Seeigeln geben wir jedoch auf und kehren um.

Doch weil wir nun schon mal hier sind, bleiben wir noch zwei Nächte, fläzen in Hängematten, den Kissen der Beachbar und den Chaiselonges am Strand. Ich liebe die hohen Palmen hier, verdammt mondän und ganz wunderbar pittoresk. Ausserdem sind wir allein am Strand. Also ausser den Bugs. Somit: Sansibar-Postkarten-Wunschbild Nummer 3, das mit den Palmen, wird abgehakt.

Paula und Heinzi wollen auch hier nicht von mir weichen, trotz all der quirligen Gesellschaft aussenrum. Verdammt, ihr Scheisser, wie wär´s mit Socialising?

Erholsam ist schön ist gut ist Sansibar. Doch auch indischer Ozean. Türkis ist glitzernd ist schimmernd ist traumhaft ist Urlaub. Das fehlt immer noch.

Mit erwähntem Paradies-Motiv im Kopf tuckern wir, die Bugs und unser Mietauto nach zwei Strandtagen wieder ab Richtung Norden. Ein letzter, verheissungsvoller Strandabschnitt wartet noch unerkundet auf uns: Kendwa.

Yeah! Siehe da: Paradies! Endlich! Hier sind sie versteckt, die fehlenden Nummern: die weissen Endlos-Strände, das türkise Meer, plus Palmen und romantische Sonnenuntergänge mit Scherenschnitt-Segelbooten. Zack, abgehackt. Alles da! Zusätzlich: Wassertemperatur gleich Körpertemperatur, Himmel gleich Aquarell. Zack, zack, zack. Wunschbilder 1-5! Passt - und den Stift weggesteckt.

Beruhigt, zufrieden, mit einer Postkarte in der Hand und vor Augen kuschle ich mich in meine neue ultra-afrikanische Jeanny-Hose, rieche am Päckchen Curry von der Spice-Tour, knabbere am einheimischen Curry-Dreiecks-Samosa-Teigtäschchen, nuckle an der endemischen Pina-Colada, sichte zwei heimische Dhows, ergötze mich an den spektakulären Magenta-Knallorange-Sonnenuntergangsfarben, seufze zweimal tief, sage Paula und Heinzi Good-Bye und kann nun endlich beruhigt die Insel verlassen. Das Boot ist für morgen bestellt. Dhow, natürlich. Hey, Exotik!

USAMBARA MOUNTAINS

Donnerstag, 13.09.2012

Elite-Panorama mit Zuckerwatte

Grauer Nebel hängt in weichen Wölkchen über der unendlichen Fläche. Klitzeklein zeichnen sich glitzernde Seen, eingeritzte Wege und hingetupfte Bäume ab, die Weite ist grenzenlos. Unten fällt der Blick auf ein Panorama in Kastanie, Sepia, Kupfer und Rostbraun, oben sind wir umschlungen von Oliv, Khaki, Gras und Waldgrün.

Wir stehen auf 1500 Metern Höhe am Irente View Point und schlürfen den ersten dampfenden Café des Morgens, während uns die himmlische Zuckerwatte langsam umringt. Nach Monaten voll trockener Hitze ziehe ich hingebungsvoll die feuchte, kühle Luft in meine gierigen Lungen und warte, bis die luftigen Schwaden über meinen Kopf steigen. Ich verliebe mich sofort in die saftgrünen Hügel, das metallische Stahlblau am Himmel, die überwachsenen Bergnasen, tuffigen Wolkenschleier und das angenehme Klima hier in den üppigen Usambara-Mountains, nur vier Fahrstunden von der Küste Panganis entfernt.

Um uns herum reines, pures, sattes Waldgrün, Minzgrün, Saftgrün, Mistelgrün und Frühlingsgrün. Tutto completto Ton in Ton. Umgeben von Pinien, Eukalyptus, Bananenstauden und anderen tropischen Pflanzen wandern wir in den Highlands Lushotos bis unsere Beine schmerzen, finden ein kulinarisches Schlemmerland in der Irente Farm und füllen unsere Bäuche mit echtem Gouda, Tilsitter, Joghurt, Passionfruit-Marmelade und selbstgebackenem Körnerbrot! Einen Fahrtag weiter erklimmen wir den Anstieg nach Mombo.

Hier in der Mambo View Point Eco Lodge wärmen wir uns abends am fackelnden Kamin, entdecken die erste sinnvolle Dorf-Lodge-Zusammenarbeit in Afrika, fotografieren die Akkus an ulkigen Chamäleons leer und kramen nach langer Zeit erstmals wieder die kuscheligen Bettdecken hervor. Wie gemütlich!

Da der Wetterfrosch allerdings Weltuntergangs-Regen ansagt und am untersten Treppchen herumlungert, müssen wir uns nach ein paar Tagen in den schönen Bergen wieder auf die Socken machen. Die verranzt-verlöcherte Dreckspiste von hier nach Arusha wäre als Schlammfeld nicht zu befahren – also packen wir unsere paar Sachen, falten die Stühle zurück in ihr kleines Stoffbett, rollen die Markise wieder ein, zerlegen den Campingtisch und rattern Richtung Lake Challa. Der Geheimtipp von Freunden stellt sich als Glücksgriff heraus: nicht nur treffen wir zum letzten Mal vor ihrer Abreise unsere lieben Norweger wieder, sondern auch die Engländer Tanyja und Clive, die gerade im grandiosen Camp einfahren. Die Beiden cruisen seit drei Jahren in Afrika herum, wir haben sie in Peponi kennengelernt, auch sie haben ihre Jobs gekündigt und lieben das Reisen in ihrem Landrover mit Dachzelt.

Zwei verratschte Abende mit freiem Blick auf den unverhüllten Kilimanjaro, acht vorbei schlendernde wilde Elefanten, drei Lachmuskelkater, fünf Flaschen Rotwein, einen Hangover und zehn Kilo vergrilltes Fleisch später muss ich unter Tränen ein letztes Good-Bye zu Malin und Espen sagen! Für sie steht eine neue Saison in der Antarktis an – wenn sie im März wieder nach Afrika zurück fliegen, um ihre Reise fortzusetzen, werden wir schon in Europa sein.

Die nächsten Tage verbringen wir im 200 km entfernten, nervtötend 24-Stunden-lauten Arusha, treffen unsere Freunde aus Belgien Lore und Braam wieder, wechseln die Reifen einmal durch, lassen die Gasflasche auffüllen, ersetzen eine durchgebrannte Sicherung, ziehen Schrauben am Auto nach und schlendern durch das quirlige City-Center.

Wir folgen der Einladung in ein Waisenhaus. Sarah und Dirk kümmern sich um das Projekt „Hilfe für die Massai“ (www.massai.org), und umsorgen die Kleinen liebevoll. Mit zweijährigen Drillingen auf dem Schoss, Afri-Cafe auf der Zunge und saftigem Muffin im Bauch lauschen wir staunend dem treffsicheren Gospelgesang der Kleinen und stellen uns das entsprechende Gejaule eines deutschen Kindergartens dazu vor...

Ausserdem kämpfen wir uns durch den wuseligen Markt, mampfen das komplett geschmackslose Nationalgericht Ugali (Maisbrei), überhören all die "Mzungu"-Schreie, schieben noch ein Frust-Chapati (gebratenes Fladenbrot) hinterher, genießen großartige lokale Kunst im 4-Stöckigen Museum und entdecken einen überdimensionalen Shoprite! Beim irrealen Anblick von buntbedrucktem Duschgel, 3-Lagen-Luxus-Klopapier, mildem L´Óreal-Shampoo mit integriertem Conditioner, frisch verpacktem Fleisch ohne Fliegen, cremigem Joghurt im Becher, echter Butter, krossen Chips, fein gemahlenen Cafebohnen, Karamell-Pudding und dunkler Schokolade, Shiraz, Merlot und Carmenere geht mir direkt das Herz und der Einkaufskorb über...

Im "Adventure-Center Arusha" erkundigen wir uns über Serengeti & Co und müssen feststellen: die große jährliche Migration findet gerade aufgrund unerwarteter Regenschauer aussertourlich in der Massai Mara in Kenya statt...Nix wie hin!

>> HIER GEHTS WEITER IM BERICHT VON KENYA...
BLOG Bilder