Blog

SIthonia

Dienstag, 23.04.2013

Kleine Gleichgewichts-Probleme

Grün und vorwurfsvoll starrt mich die letzte Seite meines treuen Reisepasses an. Blank. Leer. Traurig. - Solide und unspektakulär wie beim Praktiker an der Kasse ging nämlich unser Eintritt ins offizielle Europa von der Bühne. Kein Visa, kein Ticket, kein Stempel.

Den kann ich mir in die frisch gewaschenen Haare schmieren, sagt mir der Zöllner, denn „Nein, nein! Waarruum? Biste du von de Europ?! Hab ich keine Stemp füa di!“. Zusammen mit einem bröseligen Ingwer-Keks in der Hand werden wir durchgewunken, „weite-fahrn, weite-fahrn!“. Und nun sind wir da. Keine weiteren Grenzen vor Augen. Ein Jammer für meinen unvollendeten Reisepass, eine Seite, Mann, nur zwei Stempelchen mehr!

Egal, mit einem Ruck klappe ich den jetzt mal ganz schnell zusammen, nippe am lauwarmen Wasser und sage: „Sieht ja ganz gut aus!“. Meine ich auch so. Sonne scheint, Bäume grün, Strasse leer. Nach zwei Stunden feinsten Cruise-Erlebnisses über ebenen Teer ist auch hurtig ein hübsches Lonely-Planet-Plätzchen gefunden. Wir sind ganz allein, wie schön! Ohne jegliches mulmiges Gefühl - keine wilden Tiere, schwarfen Waffen oder ruckelnde Erdbeeben sind am Start - übernachten wir am Strand, schlendern am Meer entlang, schlummern eingelullt wie Babies, graben zum Frühstück unsere Zehen in goldgelbe Sandkörner, blicken Sandwich-mampfend über ein Meer aus funkelndem nassem Blaugrün und zupfen pastellige Frühlingsblumen für den Toyo-Tisch.

Völlig unvorhergesehen stellt sich jedoch nachmittags trotzdem ein akutes psychologisches Balance-Problemchen ein. Unter fluoreszierendem Grell-Licht stehe ich hilflos im Supermarkt. Ich kann mich nicht entscheiden. Immer wieder wandern meine geweiteten Pupillen über das gleichmässig vor sich hin summende Regal mit raffinierter Hintergrundbeleuchtung und meine Gedanken rattern unkontrolliert vor sich hin. Was is´n hier los?! Ich wollte doch nur Käse! Jetzt stehe ich da wie ein Kaninchen vor dem falschen Bau und ringe mit mir selbst.

Wo ist mein Shopping-Instructor? Gott, was soll ich nur kaufen? Mozzarella, Gouda, Emmentaler? Tilsiter, Camembert, Blauschimmel? Parmesan, Edamer, Feta? Fuck! Was nehme ich nur? Was will ich denn? Naja, Käse halt...Welcher war nochmal gut? Mh. Vielleicht Mozzarella, oder nein, lieber Feta, ist ja von hier. Muss ja gut sein. Original griechisch. Aber nur auf´s Brot? Oder soll ich vielleicht was damit Kochen, jetzt, wo ich so die Mega-Auswahl hab? Ne. Nur auf´s Brot. - Aber Georg mag doch Emmentaler so gern. Ach, dann nehm´ ich den. Aber dann könnte ich ja griechischen Salat machen, da brauche ich ja dann doch lieber Feta. Oder Spaghetti und Parmesan? Aber zum Überbacken dann doch lieber Mozzarella? Oh Supermarkt-Gott! Gib mir Käse! Einfach Käse! In Gelb oder von mir aus auch Weiss. Von der Kuh, oder auch vom Schaf.

Ach, ich weiss nicht. - Nee, das ist mir jetzt zuviel, raucht mein Kopf. Egal, dann heute kein Käse, lass mal, denke ich mir und schiebe mein glattrollendes perfekt gewienertes Wägelchen sauber über den spiegelblanken Supermarktboden in den nächsten Gang. Alles so groß. So übersichtlich. So sauber. So viel. Wo gibt´s denn die Wurst. Ah. Da. Ok, kein Käse, aber dann eben ein bisschen Schinken, oder irgend sowas! Mal sehen, was es gibt. - Ahh, ja: Prosciutto, Parma, Lachsschinken? Serano, Koch- oder Räucherschinken? Putenbrust, Gebeizten Schinken oder einfach Schinkenwurst? Gelbwurst, Knacker, Wiener, Salami, Mortadella, Poloni, Weisswurst oder Blutwurst? Gut, auch keine Wurst. Vielleicht Fleisch. - Oh, nee! Schweine-, Hühnchen-, Rinder-, oder Lammfilet? Ich bin endlos verwirrt, was nehme ich nur? WAS NUR? Ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn das Licht angeht...Vollfett- oder Halbfett-Milch? Erdbeer-, Kiwi, Blaubeer- oder Maracuja-Joghurt? Baguette, Ciabatta, Milchbrötchen, Vollkorn- oder Sesamsemmel? Überall Licht! Oder lieber Toast? Haselnuss-Schokolade von Milka oder White Crisp von Nestle? Oder lieber Kinderschokolade oder Mars, Snickers, Twix? Pistazien, Walnüsse oder Cashews? Rucola, Blattsalat, Chicoree, Eisberg? Apfel, Kiwi oder Birne? Rote, grüne oder orange Paprika? Champignons, Brokkoli oder Blumenkohl? Mit großen Augen stehe ich vor dem zwei Meter hohen Supermarkt-Regal ganz klein hinter meinem riesigen Einkaufswagen und wanke hin und her. Fast verirre ich mich in den Tiefen des blitzenden Geschäfts.

Mein Kopf schwirrt. DIES ODER DAS? Was soll ich nur kaufen? Was kochen? WAS NUR? WAS NUR? Wie einfach war das "ich-schau-mal-was-der-Wochenmarkt-hergibt, suche-eine-Dose-dazu und schaufle-irgendwas-was-hoffentlich-schmeckt-in-den-Topf". Das hier schreit nach organisiertem Einkauf. Bin überfordert.

Auch die Seifenstück-Phase ist beendet: es gibt Duschgel! Zwei Wände á fünf Regale voll. Aber WELCHES?! Mandel-Honig? Relaxing oder Stimulating? Blaubeere oder Orange? Sensual Time? Wenigstens NIVEA hilft mir: „HAPPY TIME“ steht drauf. Ist alles, was ich wissen muss. Gekauft.

Trotz all der Nicht-Entscheidungen ist mein Wagen jetzt knallevoll und es geht ab zur Kasse. Lange Schlange, viele Leute, nervige Warterei. Als das Band in Reichweite kommt schichte ich meine Waren drauf und plötzlich läuft mir ein Schauer über den Rücken. Eisige graue Kassiererin-Augen starren mich hasstriefend an. Aus dem Nichts heraus brüllt sie mich schrill aus pink-glossigen Lippen an: „GAMOTO!! Na parei i euxi!" und danach „FANNI!!!“. Häh? Bevor ich drüber nachdenken kann fliegen meine Haare wieder nach hinten, „FANNIII-III!!!“. Die dickbusige Trulla mit ihren roten Pausbacken glotzt mich immer noch an und verzieht den Mund zu einem dünnen Strich. Ich stammle ein „What´s up? Sorry, I don´t speak greek“, da zittern ihre Lippen ärgerlich und sie schreit wieder mal volle Kanne das komische Wort in mein Gesicht, während sie die Zwiebeln vom Band nimmt und demonstrativ vor meiner Nase hin und herschwenkt: „FANNI! DIE HAT DIE ZWIEBELN NICHT GEWOGEN!!!“, plärrt sie jetzt vermutlich, jetzt hab ich´s gecheckt... Eigentlich hat sie sich nicht nur an mich gewandt, sondern auch an die 12 Leute hinter mir – und natürlich an Fanni. Ah! Frau Fanni. Die kommt aber nicht. Kein Wunder. Bei so einem Geschrei würde ich auch nicht kommen. So nimmt sie umständlich das Mikrophon in die Hand und raunzt auf voller Lautstärke: „FAAANNII! FAAANNII, KOMMEN! DA IST EINE, DIE HAT DIE ZWIEBELN NICHT GEWOGEN, DIE BLÖDE KUH!“.

12 Augenpaare starren mich hasserfüllt an, blasen demonstrativ aus, die Tussi hinter mir verdreht die Augen und ich möchte am liebsten im blitzenden Fussboden versinken. Die propere Griechin mit den Pausbacken schnauft mit ihren pink bemalten Lippen tief ein, ihr goldenes Herz auf dem Dekolletee wölbt sich mir gefährlich entgegen schon bläst mir abgestandener Raucheratem mitten in die Nase. Auf dem Fuss dreht sie sich um und stampft unter lauten Schimpftiraden davon. Dabei vergisst sie nicht, die Tüte Zwiebeln wie ein strampelndes Ziegenbaby auf Ellbogenhöhe zu halten und jeden einzelnen Supermarktkunden scharf anzusehen, auf mich zu deuten und dabei den Kopf zu schütteln. Dabei murmelt sie unablässig so was wie„Wie kann man nur so blöd sein...wegen DER müsst ihr jetzt alle warten...hat die Zwiebeln nicht gewogen, hat die Zwiebeln nicht gewogen!!“. Zum Glück kann ich das griechisch nicht verstehen, aber klar ist es trotzdem. Auf halbem Weg trifft sie auf Fanni, drückt ihr die Tüte in die Hand und kehrt immer noch kopfschüttelnd zurück zur Kasse, nur um mich anzustarren und mit dem langen pinken Nagel auf das Laufband zu trommeln.

Das geschnalzte „Tss Tss“ ist kosmopolitisch beschämend. Ja, ich kapier´s ja schon. Tut mir leid! Als Fanni zurückwalzt und ihr die Zwiebeln hinlegt nimmt sie das Packet mit spitzen Fingern und deutet mit dem pink lackierten Nagel auf das eben ausgedruckte Preis-Ticket und sagt wohl „so geht das“. Oder sowas ähnliches. Ich murmele ein erneutes „Sorry“, worauf ich wieder Tss-Tss-Kopfschütteln ernte. Ping, Ping, Ping, in Rekordzeit zieht sie die Einkäufe nun über ihren Scanner und ein Berg an Lebensmitteln entsteht am Ende des Laufbands. Mir wird ganz heiß, als ich mit mittlerweile feuchten Handinnenflächen all meine Sachen in die Tüten stopfe, die auch noch extra kosten. Kein Einpacker da. Kein Kundenservice. Kein Auf-Wiedersehen-schön-Sie-nächstes-Mal-wieder-zu-sehen. Keiner, der die Sachen für mich zum Auto bringt.

Sind wir trotz Drittem-Welt-Land-Aufenthalt verwöhnt?! Was Service und Freundlichkeit betrifft, ja! Fix und fertig mit dicken Schweisstropfen auf der Stirn schleppe ich mich und meine Tüten hinaus auf die Strasse, den Einkaufswagen muss ich drinnen lassen. Völlig erschöpft sinke ich in den Beifahrer-Sessel neben Georg, der mich fragt: was ist denn los? - „Ach, nichts“, flüstere ich dank einsetzendem Kopftrommeln, „nächstes Mal gehst Du!“. Intern lenke ich mich ab mit dem erfrischenden Gedanken an meine nächste „Happy Time“ unter der Dusche.

Aus der Stadt düsen wir so schnell es geht wieder Richtung Stellplatz am Meer, denn hier sind wir komplett allein. Keiner da, keine Fanni, keine pinken Motzlippen. Wir befinden uns völlig einsam und allein auf dem Sithonia-Mittelfinger unterhalb von Thessanoliki am nördlichen Festland.

Hier ackern wir mit Vally die rauen Berge rauf und wieder runter, grillen diverses Fleisch auf dem Grill, baden uns abends in blutroten Sonnenuntergängen und lassen tagsüber unseren Blick über honigfarbene Halbbögen aus Sand schweifen, über graue Tentakel-Felsen, die ihre Fühler ins blaue Meer tauchen und über blaue Berge in der Ferne. Schliesslich und endlich entscheiden wir uns, den werten Popo mal wieder ordentlich in Schwung zu bringen und über unendliche Frühlingswiesen zu wandern – wir wärmen uns auf für den Hike am Mount Olympus...

mount olympus

Sonntag, 28.04.2013

der erste kontakt

Laut knirschend stapfen wir über matschigen Schnee, bringen den letzten Teil der Wanderung am Mount Olympus unter größten Schmerzen und fiesen Muskelzuckungen hinter uns. Hier ist das mystische Zuhause der Götter, so glaubten die alten Griechen. Doch die Götter geben mir irgendwie auch so gar keinen Drive.

Wo seid ihr, wenn man euch mal braucht, verdammt? Zeus, Aphrodite, Apollo! Fühlt sich denn keiner verantwortlich?! - „Es ist der magischste und dramatischste von allen griechischen Bergen“, sagt unser Rough Guide – und so können wir den natürlich nicht links liegen lassen, auch wenn´s schmerzt. Der Mount Olympus hat übrigens so gar nichts zu tun mit den olympischen Spielen, nur mal am Rande erwähnt.

Die nämlich fanden in „Olympia“ auf der Peloponnese, ganz im Süden Griechenlands statt. Ein minikleiner historischer Abriss aus dem Rough Guide dazu: „Der Ursprung der olympischen Spiele gründet sich in Legenden – oft in Bezug auf den Gott Pelops, Zeus oder Herkules. Geschichtlich gesehen begannen die Wettkämpfe ungefähr im elften Jahrhundert vor Christus und wuchsen allmählich von einem lokalen Fest zu der vierteljährlichen Feierlichkeit, an denen alle Staaten Griechenlands teilnahmen.“ Dank der Love-Parade-Größe des Spektakels kamen die Organisatoren langsam aber sicher dahinter, dass hier jeder Kaufmann, Brezelbäcker, Schmuckdesigner, Musiker und Trainer ordentlich Profit machen kann und so wurde aus den olympischen Spielen weit mehr als der profane Gewinn eines Oliven-Kranzes für´s hübsche Athleten-Köpfchen.

Anfangs noch recht strikt - nur „freigeborene“ Griechen durften am 200-Meter-Rennen teilnehmen - entwickelte sich das 400-Meter-Rennen schnell weiter. Diskus-Werfen, Weitspringen, Wrestling und Box-Wettkämpfe werden hinzugefügt, ab dann wird´s ultra-professionell. Irgendwann mischen auch die Römer mit und alle werden gaga, weil ultragesponsert von ihren Heimatstaaten – ab sofort heisst es nicht nur: kämpf um die Ehre, sondern um jede Menge Moneten.

Aber zurück zu unserem Mount Olympus, der Heimat der Götter. Nein, ich könnte auf keinen Fall an olympischen Spielen teilnehmen, denn schon der pimpige Aufstieg war für mich komplett unlustig. Ich muss zu meinem größten Entsetzen feststellen: ich bin unfit wie ´ne Oma! Die wundervollen drei Jahre Freiheit haben mir zwar Glückseligkeit, aber auch ein LKW-Fahrer-Syndrom beschert. Die schöne Fitness ist weg. Ausser Sicht, im Dunst, im Nebel, im Nirgendwo der unendlichen Geschichte. Ich könnte heulen. Tu ich nicht, dafür aber Keuchen und Schnaufen! Das ist nun echt total inakzeptabel und bedeutet nur eins: Training, Training, Training! Hoch die Beine, auf den Berg, wo ist die nächste Kletterroute? Au. Au. Au.

Hier am Mount Olympus können wir gratis auf der Mittelstation campen und legen dafür das gesparte Geld gleich wieder in Köfte mit Tzatziki und Ouzo an. Irgendwann am nächsten Tag haben wir den Mount Olympus also endlich bezwungen und bewundern atemlos die grandiose Sicht auf das entfernte Meer, die Kiefernwälder unter uns und die schneebedeckten Gipfel um uns herum. Bald ist die Voltaren auch leer!

Zwischendrin treffen wir die lustigen Stuttgarter Ilja, Uli und Markus - unser erster süddeutscher Kontakt nach langer Zeit - mit denen wir abends auf der Hütte bei geringer Unterlage von lecker gebratener Aubergine mit gegrilltem griechischem Feta und jeder Menge Ouzo-Rum ordentlich abstürzen.

Meteora

Dienstag, 30.04.2013

mÖnche und WAdlkrÄmpfe

„Jetze weiss isch, wieso die Mönch´ da nimme nunderkomme sin´! Des machste abba einma un nie wiedda, des sog isch dir!“, schnauft eine Blondine mittleren Alters vor mir, als sie eine Pause in der Mitte der 300 Treppenstufen einlegt. Meine Schenkel plus Wadln schmerzen auch abartig, Stufe für Stufe kämpfen wir uns masochistisch weiter hoch.

Kastraki heisst der Ort in dem wir abgestiegen sind, und er ist berühmt für seine Klöster – hoch auf Felsspitzen erbaut. Im Moment weilen wir auf der alten „Megalou Meteròrou“, ursprünglich von dem Serben Ioasaph 1383 erbaut, allerdings im Jahre 1500 von den Griechen erweitert, vergrößert und kunstreich mit Fresken verschönert. Ein kurzer Weg führt direkt zur nächsten Felsenkirche, anders als in Kappadokien nicht in den Fels gehauen, sondern majestätisch darauf errichtet: die hier heisst „Varlaam“. Sie ist eins der ältesten Klöster und wird in heutiger Zeit nur noch von einer Handvoll Mönchen unterhalten (Eintritt pro Kloster 3 Euro), die ihre Unterkunft nie mehr verlassen. Die Kirche ist spektakulär aufgrund feinster Dekorationen und Malereien im Inneren, auch der Ausblick auf das Dorf lohnt die Oberschenkel-Attacke. Das Museum zeigt reich verzierte Kruzifixe mit Rubinen und aufwändige Silber-Stücke, sowie uralte Pergament-Schriften.

Endlich oben angeschnauft heftet sich mein Blick auf das wunderschöne Roussanou-Kloster, aussergewöhnlich geschmeidig auf die Spitze eines Berges gesetzt. Die grau-beigen Pflaster-Wände bilden Eins mit dem jäh abfallenden Fels - und das inmitten der zerklüfteten Berg-Landschaft. Natürlich lassen wir uns auch die „Ayias Triados“ nicht entgehen, das ist nämlich die „James-Bond-Kirche“. Hier wurde „For your eyes only“ gedreht – warscheinlich hat Sophie Marceau die drei Mönche, die das Kloster noch schmeissen komplett verwirrt. Naja, vielleicht waren es vorher auch Hunderte von Brüdern, die danach vom Glauben abgefallen sind...

Über einen alternativen Weg steigen wir erst in die Felsen ein (perfektes Klettergebiet – leider keine Ausrüstung dabei), dann verirren wir uns im dichten Wald, beobachten Schildkröten beim Sex (quietschen wie Badewannen-Entchen), entdecken zwei braune Vipern im Dickicht (leider zu schnell für´s Foto), schlagen uns unseren Weg durch Äste, Blätter und Brennessel (nächstes Mal lange Hose) – und erreichen abends wieder unseren Camping-Platz Vrachos (17 Euro, Holla!). Jetzt noch eine Runde im Pool. Ja. Muss sein! Au.

delfi

Donnerstag, 02.Mai.2013

DAs orakel

Nach intensiven Kraul-Tagen am Pool mit angenehmen 28 Grad raffen wir uns dazu auf, das Orakel von Delfi zu konsultieren: reicht die 20er-Sonnencreme oder lieber die 50er? Sollen wir bleiben oder lieber nach Athen? Schon heim oder doch noch nach Indien (Mama, ruhig bleiben! Nur hypothetisch!)? Shorts oder Trekking-Hose? Reifen-Neukauf oder halten die noch? Fragen über Fragen.

So wackeln wir zum Mittelpunkt der Erde - und das kam so: Delfi wurde einst als religiöses und spirituelles Zentrum der Erde gesehen, das heisst, wenn man der überlieferten Geschichte glaubt: demnach liess Zeus an beiden Enden der Welt jeweils einen muskulösen gutbefiederten Adler hochflattern - und wo sich die beiden Vögel in der Luft trafen, liess er einen großen Eierbecher aus Stein fallen. Der markierte dann den Nabel der Welt.

Zufälligerweise spricht hier auch noch ein gewitztes Orakel, das alles weiss. Und das in Form einer ältlichen, von Gott Python auserwählten Frau (er ist der Sohn von Gaia, der Erden-Mutter). Der Sage nach wohnte Python in einer nahen Schlucht-Spalte im Felsen und kommunizierte durch die diensthabende Priesterin. Die wiederum sang ihre Prophezeiungen von einem dreibeinigen Podest, das sich über der Spalte befand. Ein anwesender Hohe-Priester interpretierte dann das Ganze für die lauschenden Fragensteller. Überraschenderweise hauten die ein oder andere Weissagung tatsächlich hin, und die Leute freakten weltweit aus. Von überall her kamen sie in Scharen, um Rat und Hilfe zu erbitten.

Bald schon wurde um das Orakel herum der Tempel des Apollon gebaut, in seinem Innersten barg er die unterirdische Kammer, in der sich die Orakelspalte befand. Heute weiss man, dass Trance-auslösende (Erdgas-) Dämpfe aus der Spalte austraten, die der Priesterin zu ihren Visionen verhalfen. Quasi Voll-Stoned-Advices.

Soviel zur Geschichte. Die Realität sieht ein bisschen farbloser aus. So gar kein einigermassen intakter Tempel steht mehr, hier ein paar rekonstruierte Säulen, dort ein paar unkoordinierte Steinhaufen, hier ein löchriges Atrium, dort ein brüchiges Halbrund aus Felsen. Irgendwie spür ich auch aufgrund der vielen Menschen (Griechische Ostern!) gar keine Schwingungen, blöd ist auch, dass das Gas nicht mehr aus der Spalte ausströmt...das hätte vielleicht zu einer positiveren Bewertung beigetragen. Die Umgebung ist allerdings schon ziemlich schön, um nicht zu sagen „malerisch-pittoresk“ (das Nr. 1-Adjektiv des Reiseführer-Autors): große Berge, zauberhafte Zypressen, Morgennebel, dichter Wald. Im angehörigen Museum (Eintritt Stätte&Museum 9 Euro) stehen aussergewöhnlich schön geformte Figuren, Säulen, Torbögen, Köpfe, Stelen und Statuetten, die meisten stammen zudem noch aus dem sagenhaften 5.Jahrhundert vor Christus! Ein Hoch auf die Bildhauer!

Und jetzt wieder Kraulen, bis der Arzt kommt.

Athen

Sonntag, 05.Mai.2013

Der Camping-leader

„NO!“, kreischt es hinter meinem Ohr, „FIRST: not like that!“, ich drehe mich um und blicke direkt ins rote Gesicht der pummeligen 60-jährigen von der Rezeption des Camping-Platzes, ihre Brüste beben bei „SECOND: not at the tree!“. Ich bin verwirrt und frage: „What´s the matter?“.

„CAN´T YOU SEE?“ schreit sie mich da mit 120 Dezibel an und mein Kopfschütteln scheint die Sache zu verschlimmern, denn nun färben sich sogar die großen Ohrläppchen mit den goldenen Baumelschmetterlingen drin. Die schütteln sich auch schon. Da stampft sie an und streckt den Zeigefinger in bedrohlicher Geste aus. „HERE, TREE!“. Ja, seh ich schon, dass da ein Baum steht. „NOT LIKE THAT!“. Ich bin immer noch verwirrt und habe beim besten Willen absolut keine Ahnung, was die gute Frau meint. „HE NEEDS WATER!“. Was? Wie? Was um Himmels Willen ist denn hier los?

Frau Rezeptionistin stemmt ihre Arme demonstrativ in die Hüften und legt los: „THE TREE NEEDS WATER AND YOU STAND ON IT!“. Ja, klar...haben wir jetzt mal eine neue Parktechnick ausprobiert, wir sind ja auf den vier Meter hohen Baum gefahren. Tree-House-Toyota!

Wir stehen exakt 50 Zentimeter vor besagtem Baum, doch das ist zu nah – wenn man Rotgesicht glaubt. Da käme der Gärtner nicht mehr hin zum wässern. Ah ja. Und ausserdem, fügt sie noch zu „NOT LIKE THAT! STRAIGHT!“, und mir haut´s fast die Ohrmuschel raus. Wir stünden schief am Platz. Das geht natürlich nicht! Also alles von vorne. Georg fährt wieder aus dem Platz raus, etwas weiter links, etwas gerader, nein, exakt 90 Grad muss es sein, Rothaut dirigiert.

Als sie endlich fertig ist, stampft sie mit lautem Schnaufen ob all der blöden Gäste wieder ab in ihre Rezeptionshütte am Camp Athens mitten in Athen. Blöd, dass es der einzige Camping-Platz in ganz Athen ist, sonst wären wir schon wieder weg. Puh, kurz mal durchatmen, die Frau mit den Haarenzähnen ist im Kabuff, jetzt noch ein klitzekleines Steinchen zum unterlegen suchen, ausbalanciertes Schlafen ist was anderes. Der Platz hängt 15 Grad nach rechts, so geht das nicht.

Ich laufe los und mache mich auf die Suche. „WHAT DO YOU LOOK??“, Mist, hat die mich schon wieder im Radar, denke ich noch und schaue um mich. Oooch, so ein Steinchen vielleicht, doch Mrs. Bomber dreht den Kopf in sagenhafter Geschwindigkeit wie eine Eule, wups, 56 Grad nach rechts und sieht Georg am anderen Ende auf der Wiese einen Stein aufheben. „HEY!“, röhrt sie da los, „RESPECT NATURE!!!“, ich kann nicht mehr, ich pruste los.

„Lady“, versuche ich ruhig, „We need some stones to level the car...“, „This is a stone-free campground!“, blafft sie mich an, „don´t you have plastic-things like anybody else?“, ich spare mir die Erklärung, dass die Dinger vor so ungefähr eineinhalb Jahren schon zerbrochen sind, und keine mehr aufzufinden waren. War ja seit eineinhalb Jahren auch nicht mehr nötig, denn Steine gibt’s überall. „You don´t have experience, häh?!“ - Ja, gut, den Kommentar spar ich mir jetzt mal. Moment, wenn ich so nachdenke: liegen nicht jede Menge alte Steine da in der Stadt herum? Akropolis und so? Aber ich schmunzle nur in mich hinein, wir brauchen ja den Platz und bald ist Schluss mit lustig. Georg schauft durch und endet laut mit „Ok, I´ll go outside...find a stone...“. Das beruhigt Mrs.Rotbomber nur ganz klein wenig, sie schnaubt ab in die Hütte am Eingang. Nachdem endlich ein Stein ausserhalb des Geländes gefunden ist, legen wir ihn unter, Georg probiert ein, zweimal, passt noch nicht – sagt unsere Wasserwaage. Also nochmal Steine suchen. „Aber mit RESPECT NATURE!“, so schauen wir auf der Strasse nach neuem Unterlage-Material.

Zurück ein zweiter Versuch, da kommt auch schon der Rotbomber angelaufen, eins, zwei, stampf, stampf und die ganze Figur wackelt von oben bis unten durch. In ultra-Zeit steht sie auch schon wieder auf dem Platz und bitte nun um Ruhe! „QUIET! DON`T DISTURB...“ - NATURE? Oder was? Nein, natürlich die anderen. Die Anderen sind in dem Fall ein Rentner, den wir schon in Delfi kennengelernt haben und ein amsterdamer Pärchen, das gerade abfährt. Beide schütteln den Kopf. Über den Bomber. Georg legt ganz leise den Rückwärtsgang ein, scheint sein letzter geduldeter Versuch zu sein, und wir wischen uns gegenseitig die Angstschweissperlen von der Stirn, als die Waage diesmal sagt: OK.

Am nächsten Tag geht’s auf zur Akropolis, dem höchsten Punkt Athens. Geschichtlich gesehen höchstinteressant, liegt doch hier die Wiege der Demokratie. Im Jahre 5000 (!) vor Christus entstand hier auf dem heiligen Berg Akropolis die erste Siedlung in Griechenland, und wurde um 1500 v.Chr. mit Wällen verstärkt, die ab sofort einen royalen Palast und Tempel für den Athina-Kult (Göttin der Weisheit, Fruchtbarkeit und Gesundheit) enthielt. Danach kreeierte Fidias so gut wie alles, was jetzt noch erkennbar ist. Über die Jahrhunderte hinweg für verschiedene Zwecke wie soziale, spirituelle und kommerzielle Veranstaltungen genutzt. Erst wurde oben gesiedelt, dann wurden Tempel errichtet. Der Oberste und bekanntestes Fotomotiv, der Parthenon, wurde über die Jahre hinweg von einer byzantinischen Kirche zur Kathedrale bis hin als Moschee genutzt.

Und heutzutage leider eine Baustelle und touristischer Bienenstock. Der Gerüstbau wird wohl so um die 30 Jahre stehen bleiben – trotz der 2 Millionen Touristen jedes Jahr. Und ich glaube, heute sind gleich alle auf einmal da. Trotz frühem Erscheinen watscheln wir mit den gefühlten Millionen herum und begutachten Stein für Stein, Säule für Säule und Gerüstplanke für Gerüstplanke. Danach gucken wir hin zum besterhaltenen Tempel „Olympian Zeus“, ruhen auf einem der schönen Bänckchen der großen Anlage und schlendern danach in die Stadt – ha, H&H, Zara, Mango da. Passt. Morgen gibt’s dann die erste Shopping-Tour seit, ja, seit wann eigentlich?! - Seit 15 Monaten! Seit Kapstadt! OH, MANN.

Mit dem geschmeidigen Kombi-Ticket U-Bahn und Bus (24-Std.Ticket 4 Euro) geht’s in knappen 20 Minuten zurück zum Campground, wo ich schon von weitem Pummelbacke kreischen höre: „NO!! RESPECT THE CAMPINGLEADER!“. Das neue Pärchen von Platz 12 hat es doch tatsächlich gewagt, den reservierten Platz in der Ecke zu beparken, das wissen jetzt auch alle „THIS ONE IS RESERVED!“. Das brünette Mädchen springt aus dem schweizer VW-Bus und stammelt leise „But...there is no sign...how should we...“ - „YOU HAD TO ASK ME!“, fährt Muffelpuffel ihr über den Mund, „HEY! RESPECT! I´M THE CAMPINGLEADER!“.

Peloponnese / Chrani

Freitag, 10.05.2013

Besucherfreuden

Mein Herz zerspringt fast vor Freude, als ich einen gut bekannten Blondschopf am Flughafen von Athen sichte, „TINA!“. Meine Freundin ist extra für mich eingeflogen und ich freue mir schon seit Wochen ein Loch in den Bauch. Nun ist es endlich so weit! Eine ganze Woche Strand-Urlaub nahe Kalamata liegt vor uns.

Im gemieteten Appartement in Chrani auf der Peloponnese im Süden Griechenlands ratschen wir was die Stimmbänder hergeben, hey, drei Jahre sind (abzüglich der minikurzen Skype-Minuten) aufzuholen! Während sich Georg ab Tag drei schon unauffällig die Ohren zuhält und ein Buch zur Hand nimmt, geniessen wir ohne Ende Sonne, Strand, Meer, Wasserfälle und einander und selbstredend den ein oder anderen griechischen Wein.

Wir verkosten die original Kalamata-Oliven plus zugehörigem Öl, machen Ausflüge über die Berge ins Möchtegern-Ibiza von Finikounda und bestaunen das pittoreske Olivenbaum-gesäumte Koroni mit seiner grandiosen Festung plus Blick über den Golf von Messina. Selbstverständlich wird die griechische Küche von A-Z durchprobiert, von Souvlaki über Bifteki hin zu gegrillten Sardinen und obligatorischem Salat. Ach, was ´ne schöne Woche!

Lefkadha

Montag, 20.Mai. 2013

Siga, Siga!

Nach kurzem Athen-Wieder-Aufenthalt geht’s über Delfi und erneuten Kraul-Schlägen im bekannten Pool weiter über Patra hin zur traumhaften Insel Lefkadha. Ich fühle mich, als hätte ich einen Köpfler mitten ins Türkis-Blau-Aquarell gemacht, die Landschaft sieht pur genauso aus, wie intensiv per Photoshop nachbearbeitet. Hey, Kalimera, Griechenland, kann ich da bloss sagen!

Sättigung plus, Kontrast 90 Prozent und noch ein geschmeidiger Soft-Zeichner drüber. Sagenhaft, wie das Wasser leuchtet! Fantastisch, wie grün, wie intensiv, wie klar, wie wunderschön es ist! Uns gefällt´s so gut, dass wir erst zwei Tage in Poros an der Rouda Bay bleiben, anschliessend eine Nacht am Cape Lipso verbringen, danach den Rest der Insel umrunden und einen langen Stop am Porto Katsiki reinhauen. Für drei Euro kann man hier auf dem Parkplatz mit WC nächtigen, hat einen grandiosen Blick auf Steilklippe und halbmondförmigem Gold-Sand inklusive brilliant türkis schimmerndem Meer. Über eine Treppe geht’s schnell hinunter an den Strand, das Meer ist zwar nicht Badewannen-Temperatur, doch gerade richtig zum schwimmen. Bombastisch!

Um die Insel komplett zu sehen, fahren wir entlang der Westküste, ergötzen uns - anders kann man es nicht mehr ausdrücken - am sagenhaften Farbspiel des glitzernden Meeres in seinen changierenden Blau-Grün-Tönen, bis wir am paradiesischen Strand von Kathisma landen. Dort sind wir fast allein (im 250 Meter-Abstand zwei andere Individual-Camper) und Wild-Camping ist angesagt. Gratis und für umsonst schlafen wir direkt am Meer, geniessen das Türkis um uns herum, springen ins prall-farbige Nass und freuen uns an Griechenland.

Die leckere Calipso-Taverne liegt im 40-Minuten-Strandspaziergang-Abstand, Besitzer Thanassios ist supergut drauf, megalustig und hat immer neue Geschichten für uns am Start...Hey, wir bleiben noch ein bisschen, "Siga, Siga"! (nur kein Stress), sagt Thanassios. Wie Recht er hat!

ZAGORI Berge + PARGA + IGOUMENITSA

Freitag, 31.05.2013

Schluchten, StÄdte & FÄhren

Erst nach dem jähen Ende jeglicher Vorräte brechen wir unsere Zelte ab und machen uns gen Norden auf den Weg in die Berge. Hier soll es, laut Guinness Buch der Rekorde, die tiefste Schlucht der Welt geben – und das umgeben von dichtem Wald, röhrenden Hirschen und schwarzen Bären.

Wir werden nicht enttäuscht: wir wandern in die Vikos-Schlucht runter und wieder rauf, geniessen sagenhafte Panoramen inmitten der Kalkstein-Formation, bewundern alte Steindörfer, weisse Kopfsteinpflaster-Gassen, nächtigen am Rande des Nationalparks und hängen anschliessend zwei Tage in der süßen Kleinstadt Ioaninna dran.
Doch schon bald drückt wieder der Schuh und wir machen uns auf nach Parga, laut Reiseführer „des Griechen liebstes Urlaubsziel im Heimatland“. Und, naja, vielleicht bin ich ja zu kritisch, darum möchte ich es mal vorsichtig ausdrücken: wenn die Stadt mit ihren an den Hügel geschmiegten bunten Häusern nicht wäre, könnte man sich hier die Kugel geben. Mist, wieder nicht geklappt, das diplomatische. Aber ganz ehrlich: so schön das historische Zentrum der Altstadt mit seinen engen Gässchen, urigen Tavernen, stylischen Bars mit Blick über die Bucht und das bei Nacht romantisch beleuchtete Schloss auch ist – der vollgerammelte Strand mit aneinandergereihten Miet-Liegen und geometrisch einwandfrei aufgestellten Sonnenschirmen kombiniert mit Menschenmassen ist der reine Horror!

Deswegen: Flucht nach vorne! Igoumenitsa heisst die Hafenstadt, von der aus wir nach Venedig verschiffen werden. Kurz zuvor gibt’s noch einen netten Campingsplatz, Google Earth zeigt den Privatstrand und so geht’s dorthin. Nochmal sonnen, schwimmen, Salz auf unserer Haut spüren – bis es übermorgen rauf auf die Fähre geht... - die Fähre nach Hause, äh nach Italien, aber das ist ja schon fast daheim...

>> HIER GEHTS WEITER IM BERICHT VON ITALIEN...

BLOG Bilder