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an der Grenze

Mittwoch, 08.06.2011

Senor pissed

„No. No. No! Quédate afuera!“, ein Zeigefinger weist mir den Weg! Boah, ich muss atmen, langsam, ich zähle von eins bis zehn und bin bei achtundzwanzig immer noch kurz vor dem Explodieren! Mister Grenzarsch kann mich mal, ich erzähl ihm jetzt mal was. Naja, oder auch nicht. Verdammt, er sitzt hier einfach am längeren Hebel. Wie ich das hasse! Ich kann, ich darf nichts tun, nichts sagen, ich kann das so schlecht. Atmen, jetzt muss ich aaaatmen.

Wir haben heute einfach doppelt Pech! Erst an der Personen-Immigration: zwei Busse mit jeweils 54 Ecuadorianern kommen vor uns an. Immerhin ergibt das eine lustig-bunt-fröhliche Wartesitzschlange mit Babies in Tüchern, Frauen mit dunklen, beneidenswert hohen Wangenknochen, die Papier zerschneiden könnten, geschmückt mit irre langen bunten Ohrringen und Filzhüten sowie Männern mit telefonbuchdicken Stapeln an kopierten Blättern in der Hand. Doch schlecht drauf ist aufgrund der Wartesituation keiner, wir lassen uns von der Happyness anstecken und sitzen geduldig auf den harten Plastikstühlen, aufgrund der interessanten Menschen und mitgehörten Gesprächen macht es sogar Spaß zu warten.
Danach Pech Nummer zwei bei der Autoimmigration. Aber wir wissen ja bereits: wenn es schon mal schlecht läuft, dann aber richtig! Unser lieber Senor Beamter ist beschissen drauf, sein Parkplatz war besetzt, vor seinem Büro warten schon wir, im Büro sitzt eine Frau mit einem Stapel an Papieren, nach uns kommt ein Motorradfahrer. Nicht gerade sein Lucky Day...

Der gute Senor ignoriert mich erstmal völlig und wendet sich einzig und allein an die Männer vor dem Büro. So frägt er Georg, ob er alle Kopien hat. Georg versteht ihn nicht, ich antworte für ihn. Senor sieht mich verwundert an, zieht die Brauen hoch und wendet sich erneut an Georg mit derselben Frage. Zum Ausflippen. Zum Glück für ihn - und wahrscheinlich auch für mich - bedeutet er mir anschließend auch noch, vor dem Büro zu warten, das ist der Moment mit dem „No. No. No!“, Georg soll alleine mit hinein. Männersachen! Na, das wird ja lustig. Ich stehe also draußen, er macht die Tür vor meiner Nase zu, sieht mich nicht einmal an dabei. Wie ich Senor Machissimo hasse, ich könnte direkt... - ach egal, wenigstens muss ich mich jetzt nicht mit ihm abärgern. Durch das Fenster sehe ich zehn Minuten später Georg bereits still schnaufend um Ruhe bemüht, Senor tippt mit zwei Fingern mühselig Ziffer um Ziffer in den Computer, kratzt sich am dicken Bauch, guckt über den Rand seiner Brille durch die selbstgefällig herabhängenden geschwollenen Augenlider auf den Bildschirm, unterbricht sich selbst, blättert in Zeitlupe in den mitgebrachten Kopien, legt die hohe Stirn in Elefantenfalten, sagt etwas zu Georg. Beide schauen sich an. Sie heben synchron die Brauen.

Ich habe den Spitzenplatz. Mimiktheater an der Fensterscheibe. Der dicke-ich-bin-ja-so-geil-und-habe-alle-Macht-hier-Beamte kratzt sich aufwändig erst an der faltigen Stirn, dann wieder am fetten Bier-und-Hühnchen-Friedhof, schüttelt den kahlen, glänzenden Kopf, blättert den Haufen Copias durch, macht seine favorisierte Zeigefinger-No-No-Geste – und ich sehe direkt, dass es noch eineinalb Minuten dauert und Georg rastet aus. Seine Halsschlagader pumpt schon so verdächtig. So geht das Spielchen satte 37 Minuten für ein einziges Formular, in der 38igsten springt Schatzi von seinem Plastikstuhl auf, zwei Sekunden danach geht die Türe auf: „Ich bin kurz vorm Durchdrehen“, dringt es an mein Ohr, als Georg an mir vorbeiläuft: „Er will noch weitere Kopien, von ein und demselben Ding. Der malträtiert uns! Gooottt, ist ER aber mächtig!“, sprichts und rennt zum nächsten Copy-Shop. Natürlich hätte der Herr auch drinnen im Büro einen Kopierer gehabt, aber Piesacken will gelernt sein. Zwischendrin unterhalte ich mich mit Jeremy, einem motorradfahrendem Tenessyer, der seit drei Tagen beim Senor versucht, einen Verlängerungsstempel für das Motorrad zu bekommen, in seinem Reisepass wurden bei der Personenimmigration drei Monate verzeichnet, der Herr wollte ihm aber nur sechs Wochen für sein Motorrad geben. Jetzt hat er ein Problem. Senor Pissed-and-grumpy lässt ihn nun täglich vorbeikommen. Sie spielen das Game seit drei Tagen miteinander.

Da rauscht Georg auch schon wieder an mir vorbei, der Hals puterrot, die Stimme beängstigend ruhig „also nochmal von vorne...“, ich flüstere ihm noch „ruhig, und eins und zwei und atmen zu“, was offensichtlich genau das Falsche war.

Wieder durchs Fenster sehe ich, wie die tonlose Kommunikation weitergeht. Selbst durch diesen Abstand könnte ich Grumpy würgen, so selbstgefällig sitzt er mit seinem breiten Arsch vor dem Computer, agiert muy despacio (langsam), greift zum Telefon, schäkert mit irgendwem lustig herum, legt seehhr langsam wieder auf, schnauft und seufzt und wendet sich dann wieder dem armen Georg zu. Nun scheinen die Kopien in Ordnung zu sein, jedenfalls ordnet er von Neuem den gesamten Stapel, öffnet sorgsam und mit höchster Ruhe die Holzschublade, greift unendlich langsam nach seinem Liebling, dem Stempel, liebkost ihn gedanklich und drückt ihn anschließend sanft auf das oberste Papier. Das wiederholt er neunmal. In Zeitlupe. Gerade als ich Georg two-thumbs-up durch die Scheibe mache, in der festen Überzeugung, nun sind wir fertig – kommt eine Schulklasse. Im Ernst. Senor Piesacker unterbricht sich, öffnet die Tür, begrüßt seinen Cheffe, stellt sich in die Mitte der 30-köpfigen Gruppe, greift an seinen Ledergürtel, schiebt die Hose wieder fünf Zentimeter höher, an die ausuferndste Stelle seines Bierbauchs und beginnt von seinem wichtigen Job zu erzählen. Dabei sieht er aus wie eine Weißwurst. Schulausflug der Tourismo-Escuela. Nach weiteren zehn Minuten plus 30 Fotos von uns und unserem Auto (Senor nötigt uns dazu), dem Öffnen der Motorhaube zum Ablesen der Chassis-Nummer und einer weiteren Kopie dürfen wir endlich endlich nach Ecuador einreisen.

Senor streicht sich nochmal über den Bauch, greift um den Gürtel, schiebt die Hose weitere zwei Zentimeter höher, ignoriert mich ein letztes Mal, verabschiedet Georg und sagt zu Jeremy: „Oh. Otra Vez. Ah, claro. Entra!“ Pobre Jeremy. Felizes Andrrrea y Jorge.

QUITO

Freitag, 10.06.2011

Äquatorexperimente

„Pirata? Tu esposo es un pirata?“ Liz sieht mich fragend mit kullerrunden Augen an. „No! Pero, no!“, ach, immer dieses Spanisch. An der Hostel Rezeption musste ich nach Vorlage unseres Passes auch unsere Berufe angeben: „Disenadora Grafica“ ist ja einfach, aber „IT-Berater“ auf spanisch? Keine Ahnung, da murmle ich noch, „Berater, mh in englisch it´s consultant“, da schnappt sie das „Berater“ auf.

„PIRATA! Pirata!“. Kurz überlege ich, schmunzle und denke dann, na so weit weg vom Thema ist es auch wieder nicht. Nach ein paar Sätzen ist Georg dann einfach „Programador“. Pirata wollte sie nicht reinschreiben. Schade eigentich.

Nach dem äußerst interessanten Besuch der 00°00.000' Linie am Äquator, das Navi zeigt es richtig an, und dem zugehörigen, allerdings etwas entfernten Initii-Museum am anderen Ende von Quito wissen wir nun: Quito kommt aus der indigenen Sprache „Quit-sa-to“ und heißt so viel wie „Mitte-der-Erde“. Ja, das wussten aufgrund der Berg-Sonne- und Schattensituationen und damit erstellten Kalender schon die Alten. Nur weil ein paar schnöde Franzosen ankamen und ihrerseits feststellten, dass hier genau die Hemisphärengrenze verläuft, heißt „Ecuador“ wie es eben heißt. Ein bisschen stinkt ihnen das schon, mehr oder weniger von Franzosen getauft worden zu sein, erklärt uns Soriah, und eigentlich müsste das gesamte Land ja „Quito“ heißen. Aber das ist lange rum ums Eck, ärgern bringt nichts mehr und deshalb gehen wir weiter im Museum. Wir sehen echte Schrumpfköpfe, die über Wasserdampf kleingemacht wurden, ausserdem bekommen wir den bösen Pipi-Fisch Candirú eingelegt im Glas präsentiert. Der sich (durch Duftstoffe im Urin angelockt) die Harnröhre hochbeißende Fisch ist keine böse Männerfantasie, nein, es gibt ihn wirklich. Noch schlimmer ist allerdings, dass er sich nicht nur bei den Jungs verbeißt, und dann operativ entfernt werden muss, nein, die Frauen triffts noch viel schlimmer: er ist genau 10 Zentimeter groß, den Rest kann man sich denken. Also, nie, nie und niemals ohne Bikini in ecuadorianische Seen pinkeln!

Weiter geht’s über ein uraltes Pub, das angeblich immer noch an derselben Stelle wie vor Jahrhunderten hier steht, hin zu den physikalischen Versuchen: Warum steht das Ei hier auf der genauen Linie so leicht gerade auf einem Nagel? Warum läuft das Wasser auf der Nordhalbkugel, also auch bei uns in good-old-Germany gegen den Uhrzeigersinn ab?

Auf der südlichen Seite der Erde dreht ein Strudel aber immer im Uhrzeigersinn, also rechtsherum? Warum? - Die Antwort ist nicht so einfach, aber ich will es hier mal versuchen:

Das Wasser strömt prinzipiell von allen Seiten auf den Abfluss zu. Auf der Nordhalbkugel wird diese Strömung nach rechts abgelenkt und ergibt somit eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn.
Direkt auf dem Äquator erfolgt keine Ablenkung somit entsteht auch kein Strudel. Auf der Südhalbkugel hingegen erfolgt die Ablenkung nach links – ergibt somit einen Strudel im Uhrzeigersinn.
Die Ablenkung kann man sich auch mithilfe einer drehenden Scheibe verdeutlichen. Zieht man einen Stift von Außen zum Mittelpunkt, während sich die Scheibe darunter wegdreht, entsteht eine gebogene Linie.

Genau auf diese Art ist auch zu erklären, weswegen sich Wirbelstürme (Tiefdruckgebiete) in Südamerika immer rechtsherum drehen müssen – im Gegenteil zum nördlichen Hemisphäre!

COTOPAXI

Samstag, 11.06.2011

am fusse des hÖchsten
(noch aktiven) Vulkans der Welt

Der Weg aus Quito kostet uns einige Nerven, etwas Geld und viel Zeit. Heilloses Durcheinander, hektisches Chaos und nervöses Hupkonzert sind nur drei Ausdrücke, die nicht im Geringsten an den Kern der Sache kommen. An jeder Ampel gibt’s jedoch Kunst zu sehen: Artisten oder auch nur Bettelarme zeigen zirkusreife Kunststückchen, um ein paar Münzen zu sammeln. Wir bekommen die „Einrad-Show“ zum Besten, sehen Zwölfjährige mit dem Mund Fahrräder (!) balancieren, Teenies mit drei Messern jonglieren, Handstände machen und andere Kuriositäten.

Vorbei an indigenen Hüttchen und lustig-verstruppelten Lamas und Alpacas geht´s nun hinauf zum Quilotoa-Loop. Da außerordentlich im „Lonely Planet“ empfohlen (O-Ton „gehört zu den aufregendsten Abenteuern in Ecuador), machen wir uns auf ins indigene Hochland. Die Straße windet sich schlängelnd bergauf in die höheren Bereiche des „Paramo“.

„Halt!“, juchze ich, „wir müssen stehenbleiben! Das schreit nach einem Foto!“. Rundherum sind wir umgeben von leuchtenden Andenmotiven, wie gemalt sieht die Landschaft aus! In den Bergen begegnen wir Frauen in ursprünglicher Tracht, sind begeistert von den farbenfrohen Kreationen aus dunklem Filzhut mit Pfauenfeder, leuchtend pinkfarbenem Poncho und reich besticktem Glockenröckchen. Die dicke Stumpfhose darunter muss auch sein, die Highheels halte ich für New-Age. Jedenfalls sehen die Damen bezaubernd aus, und ich stehe kurz vor der Investition in einen der schmucken Hüte. Oben in den Bergen ist die Welt noch in Ordnung, Mamis liegen mit ihren Babies fröhlich spielend in den Wiesen, die Männer beraten sich am Marktplatz. Beim bunten Markt halten wir und lassen uns treiben, vergessen fast die Zeit, ergötzen uns an Farben, exotischem Obst und Gemüse, prächtigen Alpaca-Umhängen und Wollpullovern zum Schnäppchenpreis. Es scheint, als würden die Frauen hier die größte Arbeit verrichten, wann immer wir sie sehen, buckeln sie Unmengen an Heu und Holz auf ihrem Rücken, halten das Baby vorne im Tuch gewickelt und gehen ihres steilen Weges, nebenan den stolzen Gatten, der nichts ausser seiner Machete im Schlepptau hat. Auch auf dem Markt handeln die Mädels, wiegen, berechnen, stillen, kochen, arbeiten. Gerade kommt an mir ein Pärchen vorbei, er umkrallt die Füße zweier toter Hühner, sie führt ein Schwein an der Leine, das wird ein fulminantes Abendessen. Dabei fällt wieder mal auf, wir sind so groß wie Aliens hier, überragen alle Anwesenden um mindestens zwei Köpfe. Komisches Gefühl, da kommt mir die Idee: hier sollte man auf ein Konzert gehen, endlich freie Sicht! Na, was ist mit Shakira?

Auf unserem Bergland-Rundweg, weit und breit grüne Flickerlteppiche, kommen wir auch an der Laguna Quilotoa, dem riesigen Kraterrand vorbei, das türkise Blau spiegelt die Wolken des Himmels wieder, eigentlich eine wundervolle Landschaft, würde man nicht orkanartig umgeweht werden. Eingemummelt bis über beide Ohren kämpfen wir uns ein Stück weit zur Lagune herunter, geben dann aber auf und stemmen uns dem Wind entgegen. Mit viel Glück und genauso viel Sand in den Augen schaffen wir es dann trotz aller Widerstände auch wieder zum Auto zurück!

Am gleichen Tag erreichen wir über eine traumhafte Off-Road-Straße das Areal des Parque Nacional Cotopaxi. Ein wundervoll abseits gelegener Nationalpark, Eintritt 3 Dollar. Wir passieren das mit Tierschädeln geschmückte Eingangstor, um uns herum kahle Steppe, im Hintergrund der mächtige 5897 Meter hohe Vulkan, die Spitze von glitzerndem Eis bedeckt, eine grasende Pferdeherde vor uns macht das romantische Bild perfekt. Hier sind wir die einzigen Besucher, wir suchen uns einen einsamen Platz direkt an der schönen Lagune und schlagen unser abgelegenes Nachtlager mit 200-Dollar-View auf den Vulkan völlig umsonst auf.

BANOS

Sonntag, 12.06.2011

thermalquellenfreude

Inmitten üppig grüner Gipfel liegt die mit dampfenden Thermalbädern gesegnete Stadt „Banos“. Nomen est Omen. Nicht nur ausländische Touris treibt´s aufgrund der Bäder hierher, auch die besser betuchten ecuadorianischen Familien genießen den Kurort. Hier kann man wandern, in die heißen Fluten springen, bummeln, shoppen, Montainbikes fahren oder auch Quads ausleihen. Ja, und das alles hätte uns auch so gut gefallen, hätte es nicht die gesamte Zeit über geschüttet, was der Himmel hergab!

So ließen wir schweren Mutes den Amazonas-Becken-Trip sausen (trotz heiß-schwüler Temperaturen im Dschungel, aber auch dort die tägliche Regendusche), fuhren selbst mit dem Auto ins Gebiet rund um Puyo (und waren tatsächlich erstaunt ob der zurückhaltenden, scheuen indigenen Völker, die hier in Refugios aufgeteilt wurden).

Natürlich waren wir auch im brühwarmen, gelbbraunen Vulkan-Wasser baden, in der Badeanstalt „Aqua de la Virgen“ ($2), etwas bedenklich allerdings stimmte die „Werttabelle“, auf der von Schwefel bis hin zu Kadmium alle Inhaltsstoffe prozentual verzeichnet waren. Den Kleiderschrank, äh, -Kasten erweitert mit einem Poncho, einer Wollmütze und Strickhandschuhen verließen wir die „Petit Auberge“ ($3/beide!) trotzdem wohlgemut wieder.

INGAPIRCA

Mittwoch, 15.06.2011

mal wieder ruinen
(man verzeihe mir)

Ingapirka ist die wichtigste Inkastätte in Ecuador, errichtet im 15. Jhs. Ja, das heißt selbstverständlich, sie darf auf unserer Reise auch nicht fehlen. Um 9.00 öffnet die Anlage, wir nächtigen auf dem Parkplatz vor dem Museum, und bekommen gleich morgens einen kostenlosen Guide zur Verfügung gestellt.

Jose ist glücklich, eine englische Freundin zu haben, er meint, wir könnten uns gar nicht vorstellen, wie toll Europa sei! „Was er daran so besonders mag“, frage ich, es ist ja nicht gerade so, als wäre man in foggy London vom Sonnenschein verwöhnt!

„Everything!“ gesteht er, „Every-single-thing! Europe is great! Die Leute seien offen, modern eingestellt, es gibt viel zu sehen, er gehe gerne aus, habe Spaß dort. Und außerdem, schiebt er hinterher: „there is money! I can earn money“, Du kannst dir wirklich etwas verdienen, nicht so wie hier, erzählt er uns. Da kann man arbeiten, arbeiten, arbeiten, den ganzen Tag, den ganzen Monat, das ganze Jahr – und leisten kann man sich trotzdem nichts. Wie seine Eltern und Schwestern hier. Sein Future-Plan ist es, Michelle zu heiraten und sein Leben in England zu bestreiten. Vielleicht ein Haus zu bauen, auf jeden Fall aber Familie bekommen „There I can study! There I do have a future! I can safe money! And I love her much, she is so beautiful with her blonde hair and blue eyes. You know, all my friends are jealous of me! I will have a good life!“, sprachs und fährt fort mit seinen ausführlichen Infos bezüglich der Ruinen.

Hier verwendeten die Inkas die gleiche fugenlose Technik beim Zusammensetzen von polierten Steinblöcken wie die in Peru. Diese Art der Handwerkskunst ging leider verloren, man stelle sich ein modernes Haus ohne Mörtel vor! Obwohl es auch in Ingapirka in Strömen regnete, die Wiese bald einem Matschfeld glich, war es doch den Besuch wert ($6). Und Jose wird mir immer im Gedächtnis bleiben!

VILCABAMBA

Donnerstag, 16.06.2011

krank im tal der hundertjÄhrigen

Als das Tal der Langlebigkeit ist Vilcabamba berühmt, seine Einwohner werden steinalt! Das dürfen wir uns natürlich nicht entgehen lassen, vielleicht rückt der ein oder andere ja auch mit einem Tipp heraus! Mir würde ja schon der Name einer Creme reichen, aber erstmal hinkommen. Die Lage ist bezaubernd! Ruhig in den grünen Bergen gelegen, ja hineingeschmiegt, in der Stadt geht’s geruhsam zu, hier scheint man ein entspanntes Leben führen zu können, direkt am ersten Tag lernen wir den sympathischen Bürgermeister kennen.

Leider bin ich genau hier - im Gesundheitssuperdorf - krank! Ein wahrscheinlich in Banos zugezogener Virusinfekt legt mich lahm, ich muss zur Apotheke. Dank neuen iPhods und Spanisch-App suche ich mir zusammen: „Tengo dolor en mi garganta. Creo, que me pone enferma! Quizas la gripa? Podria darme pastillas y medicamentos, por favor?!“. (Habe Halsschmerzen. Schlucken-Aua-Mimik-Gestik-Ton-Kombi. Ich glaube, ich werde krank! Vielleicht die Grippe? Könnten Sie mir bitte Pastillen und Medikamente geben?). Die nette Dame mittleren Alters schaut mich mitleidig an, haut ein paar Tabletten-Vorschläge aus dem FF heraus, die ich alle freimütig bejahe, dreht sich um und kramt im Regal. Kurzerhand nimmt sie eine Packung hervor, greift hinein, holt den Blister heraus, und schneidet abgezählte acht Tabletten ab. Genauso verfährt sie auch mit der nächsten grünen Pastillenpackung, diesmal gibt’s zwölf Lutschtabletten von der Zwanzigerpackung. Einfach, praktisch, warum nicht. Eingetippt in den Taschenrechner steht auch schnell der Preis, für hiesige Verhältnisse exorbitante 21 Dollar! Aber das ist es mir wert. Nun befinden wir uns also in einer traumhaften Umgebung, in einer tollen Hosteria („Izhcayluma“ von Dieter und Peter geführt), mit - Gott, wie ich mich dafür schäme, das jetzt schreiben zu müssen, aber wahr - „deutscher Sauberkeit, Gründlichkeit und Luxusduschen!". Alles duftet so gut, ich gehe sogar barfuß ins Bad, es stehen bunte Blumen da, schöne Dekoration, die Dusche wird heiß, der Strahl ist kräftig, keine unverkleideten elektrischen Kabel hängen von der Wand, keine Stromschlaggefahr, die Armaturen noch alle dran, kein dünner Plastikvorhang, der sich an den Körper klebt, ein funktionierender Heißwasserhebel, ein Traum! Die Bedienung im heimeligen, mit Tischkerzen geschmückten Panorama-Restaurant ist auf Zack, zehn Minuten nach der Bestellung stehen die dampfenden Teller zeitgleich vor uns, der Merlot mundet hervorragend, vom „german“ Kartoffelauflauf mal ganz zu schweigen!

Ein bisschen melancholisch grabe ich mich jedoch aufgrund der nervigen Grippe im Toyota ein, tue mir selbst ein bisschen leid, schaue die neu heruntergeladenen Folgen von „Desperate Housewifes“, löffle Gemüse-Suppe, huste mich heißer und rotze hingebungsvoll in die Tücher. Genauer werde ich hier auch nicht, keine Sorge.

Ein wenig wünsche ich mich gerade auf das große München-heimische Sofa zurück, mit ungezügeltem Blick auf den großen Fernseher, warme Fleece-Decke über dem Schoß, guten, weichen Tempos in der Hand und süßem, echtem Honig im Tee. Einfach in Ruhe und allein, jedoch mit Fernbedienung in der Hand die Krankheit auskurieren... Im Dorf hieß es auf die Frage nach Papiertaschentüchern nur "Que???", die Antwort auf meine Honigfrage war "Lo siento. No tengo. En dos semanas. Quizas." (Tut mir leid. Habe ich nicht. In zwei Wochen kommt er. Vielleicht. Also bestellt ist er schon.). Und das war der einzige Laden, der nicht "Miel?? No! No tengo!" zum Besten gab.

Am dritten Tag geht’s dann schon wieder aufwärts, gerade rechtzeitig, denn: völlig überraschend stehen Malin und Aspen auf dem Parkplatz, dicht gefolgt von Brianna und Logan!

Da waren´s wieder sechs!

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