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Pemba

Montag, 13.08.2012

Bunte TrÄume, Fluffige Babies
und wunde Finger

„Whaaaaaaah, whaaaaaah, whaaaaaaah!“. Was schreit da so? Baby? Meins? Hab ich eins? Schatz, gehst du? Noch während mir diese Gedanken durch den Kopf schiessen, wache ich auf, mittendrin in der sanftesten Nachtruhe, die man sich so vorstellen kann. Ich schiebe meinen schönen, buntbebilderten Traum unwillig zur Seite, reibe mir die verknautschten Augen und richte mich im weichwarmen Bett auf. Natürlich vorsichtig genug, um mir nicht die Nase am unnachgiebigen Alkofen anzuhauen. 2-Jahres-Routine. Alles schon mal vorgekommen.

„Whaaaaah! Whaaaah! Whaaaaa!“, da ist es wieder, das Geräusch. Hängt da ein Baby im Baum über uns? Wer hat´s vergessen? Ich hieve mich vorsichtig aus dem Bett, kralle die Taschenlampe und jumpe aus dem Auto. Nicht gerade artistisch, aber dennoch falle ich nicht auf´s Gesicht, sondern stehe aufrecht und kann mich dem Thema Baby widmen. Erstaunt über meine Geistesgegenwart stelle ich nüchtern fest: stockdunkel, nachtfinster, ruhighimmlisch. Äh. Leise, also nix. Blöd jetzt. Extra aufgestanden.

Kurz überlege ich, ob ich Georg wecken soll, einfach so, damit noch einer wach ist, entscheide mich dann aber für den Solokurs. Ich mache eine kleine Runde um den Toyota, leuchte hier und da und will schon fast wieder zurück ins Bett krabbeln, als es wieder krächzig laut „Whaaaaahaaaaa!“ tönt. Zack, ich drehe meinen Kopf scharfgeistig so schnell nach oben, dass es einen mittleren Knacks in der Nackengegend auslöst. Dafür stehe ich jetzt aber auch Auge in Auge mit zwei riesengroßen Mega-Glubschern, die mir in brüllendem Orange aus dem Baum entgegenzwinkern.

Klack. Klack. Wie bei der Sendung mit der Maus. Sofort höre ich wieder das ohrenbetäubende Babygeschrei. Ich stelle den Kegel der Mag-Lite kleiner, und sehe ein graues, zierliches, unwiderstehlich süßes Etwas im Baum sitzen: ein Bushbaby! Mit rotgeräderten, aufgestellten Rundohren, die sich ständig bewegen, flauschig grauem Fluffi-Fell, einer kleinen spitzen dunkelgrauen Mäuschennase und ellenlangen Fingern, die sich in den Ast krallen, guckt es mich erschrocken aus den riesengroßen Augen an. Mein Gott! Ist das Süß! Will ich am liebsten haben, knuddeln, im Arm halten, streicheln, mitnehmen. Ohhhhh! Ich seufze, es schreit. Heult. Krächzt. Aha – nun summt es auch noch. Naja, eher ist es so ein Fiepsen. Aber auch süß! Es blinzelt noch zweimal mit den Rehäuglein, dann macht es sich davon, versteckt sich unter riesigen Blättern.

Sofort springe ich ins Auto, hole den „Mammals of Africa“-Guide heraus und blättere unter Bushbaby nach. Ein hingerissenes Seufzen entkommt mir schon beim Anblick des Fotos. So süüß! Also. Ich lese und lerne:
auch bekannt unter dem Namen „Senegal Galago“ besticht das Bushbaby mit einer geringen Größe von 30-40 Zentimetern, wobei allein der flauschige Schwanz schon 20 Zentimeter lang ist. Mit 120-210 Gramm ein Leichtgewicht springt es nachtaktiv extrem wendig in den Bäumen umher, um Baumsaft, aber auch Insekten und Früchte zu schlemmen, währenddessen es den ganzen lieben, aber blendend langen Tag im eigen gebauten Nest hoch im Geäst schnarcht. Gerne auch in Gruppen von zwei bis acht, denn allein schlafen ist ja langweilig. Dabei ist man territorial unterwegs und bleibt gerne im gewählten 3 Hektar großen Gebiet, in dem man erstaunliche vokale Begabung aufweist: eine ellenlange Palette an Rufen, Schreien und Grummeln steht ihm dabei zur Verfügung.

Will eins haben! Kurz bevor ich mich den Baum hochkralle, kann ich an mich halten, blinzle meinerseits dem süßen versteckten Galago zu, drehe mich um, springe zurück ins Bett, knautsche meine graue Schlafdecke zur Rolle und kuschle mich ganz zart daran. Schon fallen mir die Äuglein zu und ich bin umringt von fluffigen Träumchen nach Bushbaby-Art. Aber ja doch, komm´ her auf meinen Arm, oh, bist du weich und du so fluffig, und dich streichel ich auch, und dich auch, und dich und dich und dich...

Pemba

Sonntag, 12.08.2012

Be mine, Bushy Bushy Baby!

Am nächsten Morgen schaue ich einem verplexen Georg in die Augen, der mich rüttelt. „Hey“, murmle ich „Was is´n?“, in der sicheren Annahme, es ist auf jeden Fall noch viel zu früh zum Geweckt-werden, geschweige denn Aufstehen. „Schatz“, raunt er da „Du musst nicht aufstehen...aber hör doch auf, das Kissen zu streicheln. Der Stoff ist schon ganz dünn...“

Aaah, ja. Da fällt´s mir wieder ein: all meine süße Bushbabies haben ja um mich herum geschlafen und ich wollte kein Einziges von ihnen vernachlässigen. Ich gucke auf meine roten Fingerspitzen und muss lachen. Nach einer kleinen kuschel- aber auch traumlosen Schlafsession stehe ich auf und trinke mich mit Cafe wach. Die Sonne strahlt, die Wölkchen formen Schäfchen und der Strand erwartet mich heiß und blendend pudrig. Beach-Idylle aus dem Katalog. Da könnte Frau Neckermann auch nichts mehr hinzuretuschieren lassen. Auch nicht wegnehmen: die Palmen sollen bleiben, die Reetdach-Hüttenbar auch, und das grün-türkise Meer mit dem weissen Sand davor sowieso.

Ne, kann man nicht meckern, nur den Bikini anziehen, Sonnencreme schmieren, Cafe schlürfen und sich am Hochglanz-3D-Bild laaben!

Pemba II + Ilha de mozambique

Montag, 13.08.2012

Deutsche Traditionen
und stoff FÜR Alle!

„Saving?“ - es folgt eine kurze grüblerische Pause, dann fährt Stella fort: „That´s not in our culture!“. Ich muss lachen, denn die 22-Jährige stößt den Satz so trocken hervor, während sie mich mit dunklen Augen über den Rand ihrer Donna Karaan-Sonnenbrille ansieht. Obwohl sie es grandios findet, zwei Jahre zu reisen, kann sie einfach nicht verstehen, wie man so viel Geld dafür sparen kann.

„You really saved the money?!“, hakt sie nochmal nach. „But, I mean, how did you do that?“ und ein großes Fragezeichen erscheint auf ihrer Stirn. „I know nobody, who has savings. I mean, perhaps that is german tradition, but not here in Mozambique. I spend all my money! Like all my friends do, too“.

Schon wieder muss ich grinsen, denn Stella deutet mit großer Geste auf ihre Schuhe, ihre weissen Jeans und ihr Auto. „Kostet ja alles...“.

Hat sie ja schon Recht, und trotzdem: es lohnt sich, und diese Reise ist, entgegen aller üblichen Meinungen keine Hexerei, kein Lottogewinn und keine aussergewöhnliche Aktien-Kombination, es stecken auch weder Erbtante noch reiche Eltern dahinter: es ist möglich, für so ziemlich jeden in unseren Breitengraden, der gewillt ist, vorher auf so Einiges zu verzichten. Also, wirklich gewillt ist!

Nach einer beeindruckenden Rundfahrt auf der kleinen Ilha de Mozambique, die auf den ersten Blick zwar wie ein Nachkriegs-Gebiet, auf den zweiten allerdings romantisch-kolonial wirkt, „arbeiten“ wir uns nun hart und unnachgiebig die Küstenlinie Mozambiques hoch. Die Straßen sind unüberschaubar, die Kinder unzählbar – ebenso die Kübel, Kisten und Eimer auf den Köpfen der buntbetuchten Frauen. Ich steige aus, um ein paar Fotos zu machen und schon laufen mir die zwei süßesten vierjährigen Mädchen entgegen, die man sich vorstellen kann. Sofort streichen sie mir über die Haut auf dem Arm und weil ich gerade in der Hocke bin (immer im Einsatz für den besten Winkel fürs Foto), legen sie mir die Hand auf den Kopf: „Linda...“, haucht die Eine, „Bonita“, die andere, und schon greifen ihre kleinen Fingerchen in meine Haare, mein Pferdeschwanz wird gestreichelt, auf und ab. „So weich“, summen sie auf Portugiesisch, „so zart“, „Ei, deine Haare, deine Haut, du bist so schön“, singen sie drauflos.

Mit breitem Lachen und funkelnden Augen hopsen sie um mich herum, nehmen mit zehn Fingern meine Hand in ihre und sind zum Reinbeissen goldig. Auf dem Markt handle ich spanisch, denn obwohl hier Portugiesisch auf dem Plan steht, scheint es kein Problem zu sein, mich zu verstehen. Ebenso andersrum und so komme ich mit vollbepackten Tüten zurück zum Camp am Strand: knusprige Semmeln (2 Metikas= 30 Cent), Kokosgebäck, frittierte Wantan, also Fleischtaschen (die hier Chamusas heissen), warme Sesam-und Nussecken in Triangel-Form, ein Peanut-Butter-Soßen-Gericht Namens Matapa, zwei Flaschen Dois M (das nationale Biergetränk, 40 Mt) – und, natürlich eine wunderschöne vier Meter lange artistisch bedruckte Stoffbahn für 250 Metikas.

Aber sowas von schön! Auf den Tisch? An die Wand? Auf den Boden? Um mich herum? Ich kann mich wirklich nicht entscheiden. Einfach schön! Sooowas von schön!

Pagane

Mittwoch, 15.08.2012

Schleicher JosÉ

„Whuuuuuaaahuuaaa Haaaaaiaaaaaa“. Nein, heute kreischt zur Abwechslung nicht das Bushbaby, diesmal schreit uns der Muezzin aus süßen Träumen.

Ich taste in der Dunkelheit nach dem digitalen Wecker und es stößt mir sauer auf: 4.30 Uhr steht in neonblinkenden Ziffern drauf. "Don´t fuck with my morning happiness!". Aber egal, ich schiebe generös meinen Muffel-Puffel-Ärger zu Seite und da ich jetzt schon mal wach bin, krabbele ich aus dem Bett, springe in einer geschickten Drehung auf den Toyota-Boden, öffne die leicht quietschende Tür und werde draussen von einem zarten Pink verzaubert, das sich gewaschen hat! Ich setze mich berauscht vom Farbflash in den pudrigen Sand, lehne mich vertrauensvoll an die mit den wenigsten Nüssen ausgestattete Kokospalme und warte schläfrig-geduldig auf den Tagesanbruch.

Der zeigt sich dann auch äusserst spendabel im Kolorit: das verträumte Rosé wandelt sich in romantisches Lila, um gleich darauf im gleissenden Orange zu erstrahlen...und dann beginnt das Leben am Strand.

Während ich mir noch den Schlaf aus den Augen reibe, wandeln blaue Schüsseln, gelbe Plastikkanister und geflochtene Basttaschen auf anmutigen Köpfen vorbei, quirlige Kinder buddeln im Sand nach essbaren Muscheln und ein paar bunt-betuchte Frauen waten mit weissen Eimern weiter draussen im kristallklaren Meer herum. Ein dunkler Mensch mit rot-weisser Bademütze auf dem Kopf erscheint plötzlich lautlos von hinten aus dem Nichts und stellt sich als José vor. Die an diesem Ort schon wieder kultige Stoffmütze mit dem breiten weissen Mittelstreifen erinnert mich an Schulzeiten! Wie oft musste ich so eine kaufen, weil ich die eigene zu Hause vergessen hatte. Jedenfalls nennt José den hiesigen Camp-Eigentümer Hashim seinen Boss und ist ab sofort für unser Wohl und die Sicherheit hier zuständig, erklärt er mir mit Hand und Fuss und Portugiesisch, während die Kappe lustig von weiss auf rot dreht.

Da wir die allereinzigsten sind, die sich hier ans idyllische türkis-blau-weiß-gelb-grüne (Meer-Meer-Strand-Boote-Palmen-) Ende der minikleinen Landzunge verirrt haben, genießen wir seine volle Aufmerksamkeit. Sofort bekomme ich meinen eigenen blauen Eimer zum Nachschütten für die rustikal-rurale Toilette weiter hinten, einen Gelben für die tägliche Dusche und ausserdem eine Basttasche für unseren Müll vor die Zehen in den Sand gestellt. Rot-weiss-rot. Schwupp, ist er auch schon wieder weg. Fast schon gespenstisch unser schleichender Bademeister.

In kurzer Hose und Bikinitop mache ich mich nun auch schon auf den frühen Weg zum zuckrigen Traumstrand, ich möchte ein paar Muscheln sammeln – allerdings fürs Auge, nicht für den Bauch. Und schon bald werde ich fündig: in Rekordzeit sammle ich gigantische und – Lotusblüte werd´ neidisch! – hochglanzpolierte Mupfeln aller Formen und Farben!

Je weiter ich mich vom rustikalen „Hashim´s Camp“ (trotz „Rustika“ satte 10$/P) hier am Pagane Strand entferne, umso bizarrer wird die Situation: Frauen starren mich an und kichern verschämt, Mädchen laufen heran, beäugen mich kritisch, tasten nach meiner Hand. Männer teilen sich klar in zwei Gruppen: die einen gaffen mich an, laden mich ein auf´s Boot (Ja, klar!), die anderen wenden sich ab und beginnen zu schimpfen.

An dem Punkt entscheide ich: besser umkehren. Ich drehe mich um und entdecke eine Traube von acht Teenies hinter mir, die nun synchron stehenbleiben. War wohl etwas abrupt, meine Drehung, denn die Jungs giggeln unkontrolliert und wissen nicht, was sie tun sollen. Ich wünsche ihnen „Bom dia!“ und schon sehe ich eine Reihe perlweisser Zähne aufleuchten, die mir ebenfalls „ Guten Morgen!“ zurufen, eine Milli-Sekunde danach löst sich ein mutiger Dreizehnjähriger aus der Gruppe und legt mir eine bezaubernde Tigermuschel in die Hand. „Para ti!“, murmelt er verlegen, schlägt die Augen nieder und läuft hektisch unter lautem Gejohle der anderen zurück zu seiner Gang. Die begleitet mich nun auch geschlossen zum Toyota, wartet geduldig im 4-Meter-Abstand, als ich mit dem gut gelaunten Camp-Besitzer Hashim plaudere. Vorbildlich gekleidet mit weisser Kofia (die typische islamische Kappe aus Leinen) und langem Fließgewand. Erst als Bademeister José schimpfend in Richtung der Jungs gestikuliert, stoben sie auseinander.

Sobald Hashim ausgewitzelt hat, sich auf dem Sarong umdreht und der Schleicher hinter der Palme verschwindet, kommen sie wieder heran – nun schon zu zwölft. Fasziniert starren die Kiddies mich an, als ich mich in den quietschenden Stuhl setze. Es bildet sich ein witziger Halbkreis, der sich in den Sand 30 Zentimeter vor meinen Füßen fallen lässt. So stehe ich etwas irritiert wieder auf, halte als Alibi meine Foto-Kamera in der Hand und wackle wieder vor zum Strand. Dort treffe ich auf Djania, die mir mit Händen und Füßen zu verstehen gibt: „Mach ein Foto von mir! Bitte. Sie wirft sich Model-like in Pose, schiebt das Kopftuch über´s Ohr und lächelt strahlend in die Linse. Aufgeregt trippelt sie trotz all der weiten Gewänder wieder zu mir und bestaunt sich auf dem digitalen Bild, das ich ihr zeige. „Noch eins, noch eins, noch eins!“, grinst sie und so starten wir eine Session am Strand. Das geht solange, bis die Kinder davon Wind bekommen und nun auch ein Foto von sich haben wollen. So geht der Schuss nach hinten los und ich fotografiere stundenlang, was uns allen jedoch mächtig Spaß macht. Irgendwann ist aber Schluss mit lustig, die Sonne prallt wie blöd herunter, ich mache ein paar letzte Bilder und gehe zurück zum Auto.

Die Kindertraube folgt. Ich giesse mir Cafe aus der Kanne nach. 24 Kuller-Kinderaugen um mich herum. Ich versuche, mit ihnen zu sprechen, doch natürlich können sie mein Spanisch nicht verstehen. Ist ja auch kein Portugiesisch, geschweige denn Swahili. Ich sage: „Nada mas, ninos...quiero leer“, (jetzt ist aber Schluss, Kinder...ich will etwas lesen).

Ich setze mich. 16 Kinder nun zu meinen Füßen. Macht 32 staunende Pupillen. Die gucken mich an. Diesmal im Halb-Meter-Abstand. Ich hole meinen Kenya-Reiseführer und blättere mit zunehmender Verzweiflung darin. Die Kiddies rücken immer näher. Als ich das nächste Mal aufschaue, sitzen 18 Kleine 40 Zentimeter von meinen Zehen entfernt und linsen ins Buch. Da kommt mir eine Idee, ich halte den Reiseführer in die Luft und zeige ihnen die Hochglanzbilder. Elefanten, der Kilimandjaro, Mount Meru, bunte Fotos von Märkten, Tieren, Städten, Parks.

Oh´s und Ah´s, staunende Kinderaugen folgen jedem Detail im Buch, die Kleinen sind hingerissen und erklären mir auch sofort die Swahili-und/oder Portugiesischen Worte dafür, ich lerne Simba für Löwe und Vaca für Kuh und Jirraffao für Giraffe und, und, und. Nach weiteren zwei Stunden sind dann aber beide Seiten so unendlich erschöpft, dass sich die Kinder freiwillig in Richtung türkiser Wellen trollen und ich im Sessel einnicke.

Hashim kommt im wehenden Gewand vorbei und erklärt kurz, er müsse jetzt zur Moschee: nur noch zwei Tage, dann ist Rammadan vorbei und endlich darf man wieder tagsüber essen und trinken! Ein Fest nach 36 Tagen! Endlich ist Schluss mit der Unterzuckerung! Bademeister-Schleicher José hat sich auch schon wieder ins Bild gestohlen, ohne Geräusche löst er sich von der Palme und stimmt mit ein.

Das „Grande Fiesta“ gibt’s dann auch am Samstag und wir freuen uns für alle Hashims und Josés darauf, aber derweil legen wir ein paar Hühnchen auf den selbstgebastelten Strand-Grill mit illustrem Muschel-Rost-Halter und sitzen verzaubert vorm lila-rot-goldenen Abendlichterrausch. José legt sich zu uns, also wörtlich. Vor den Grill. Nachdem die Sonne untergegangen ist, frägt er nach einem Schluck aus der Schweppes-Dose. Glücklich schleicht er sich mit den Wünschen „La La Salaam“ (wir lernen: Swahili für „schlaf schön“) von Dannen...

Und schon wieder schreit der Muezzin.

PAngane

Donnerstag, 16.08.2012

Geschichten aus dem Islam, Teil II

Wieder ziemlich früh wach, mache ich mich gleich vormittags auf ins Dorf, keine zehn Fussminuten entfernt, um am Markt ein paar Kleinigkeiten und vielleicht auch neue Stoffbahnen zu erstehen. Hei, die sind einfach zu schön! Natürlich bin ich diesmal den Umständen entsprechend vorbildlich gekleidet...

Soll heißen, trotz irrer Temperaturen von 37 Grad hülle ich mich in eine bodenlange, weite Schlabberhose, bedecke meine jetzt schon schwitzenden Schultern brav mit einer hellen Bluse und knöpfe diese auch noch bis zum höchsten Punkt am Hals zu. Jetzt bekomme ich zwar fast keine Luft mehr und transpiriere in drei Minuten die kompletten vier Tassen Café wieder hinaus, doch wenn ich das jetzt überlebe, habe ich gute Chancen völlig getarnt unentdeckt durch´s Village zu huschen.

Auf dem Weg wandle ich unter Vorbilds-Palmen, gehe auf zuckrig weissem Bilderbuch-Sand, erblicke zu beiden Seiten idyllische Inselchen im türkisen Meer und rieche schon von Weitem den Markt aufgrund der fischigen Spezialitäten. Erst noch denke ich, diesmal läuft das ja ganz gut, die Kinder nehmen keine Notiz von mir, die Fischer schenken mir keinen Blick, selbst die Zicklein grasen normal weiter.

Mit jedem Schritt wird mir heisser, der Schweiss rinnt in kleinen Bächen meinen Rücken hinab, ich frage mich ernsthaft, wie die hiesigen Damen das nur aushalten und kann nicht umhin, mir wenigstens die Ärmel der Bluse bis zum Ellbogen hochzukrempeln, als ich Djania wiedertreffe. „Bom! Bom!“ (Gut, gut), lobt sie mich, gibt mir den „Fantastico“-Daumen.

Die Stimmung am Markt ist - abgesehen von der weissen Sensation - ausgelassen, jeder einzelne Dorfbewohner scheint beim Einkaufen zu sein, eine hitzige Küchenutensilien-Bettwäsche-Klamotten-Versteigerung ist am Start. Ich kämpfe mich durch die schreiende Menge, die lauten Marktschreier verhallen hinter mir und ich schiebe mich weiter die enge, staubige mit Menschen prallgefüllte Gasse vor.

Rechts klopfen flinke Kinderhände riesige Haufen von Granitsteinen zu elendigem Schotter klein, links werden kopfüber flatternde Hühner zum Kauf angeboten, vorne stecken gebratene Mäuse am Spiess und daneben zappeln die Babykatzen in schwieligen Händen.

Nach hunderten von Tomaten, Fischen, Kohlköpfen, Langusten, Manjuk-Wurzeln und Kartoffeln erreiche ich nun die Holzhüttchen mit den bunten Stoffbahnen. Rein in den Laden, vielleicht gibt’s noch mehr davon. Im fünf Quadratmeter großen Shop stehen bereits 15 Leute und gucken sich um.

Als ich eintrete, glucksen die Mädels, eine schnalzt mit der Zunge und ein Teenie fasst mir in die Haare. Ich greife meinerseits in ihre gedrehten Strähnchen, was eine Lachsalve auslöst. Als wir uns alle wieder beruhig haben, ich meine wertvolle Tüte Stoff in der Hand halte, die Männer schon von aussen hereindrängen, um zu sehen, was abgeht, mache ich mich wieder vom Acker und schlendere Richtung Toyota.

Dort angekommen höre ich nicht nur einen schlafenden Badekappen-José an der Palme schnarchen, sondern erblicke auch Georg, der von zehn Kindergartenkindern umringt mit Muscheln spielt. Ich steige ins Auto und brühe mir Tee.

Derweil hat sich Bademeister-José auf 30 Zentimeter angeschlichen (heute mit neuer Mütze in nächtlichem blau-weiss) und scheucht die Kiddies erbarmungslos weg. Mit einem Blick auf meine Tasse frägt er leise: Té? Ob er wohl einen Schluck bekäme? Ist ja schon Noite (Nachts). Mit einem Seufzen meinerseits springe ich wieder in den Toyota und gebe ihm einen Beutel. Mit großen Augen schaut er erst auf den Beutel, dann auf meine Tasse, dann auf mich. „Eso es?“ (das ist es?). „Si!“, ja, klar, sage ich. Als das Staunen anhält erkläre ich das mit dem Agua Caliente (heissen Wasser) und darüberschütten und so.

Zum Dank legt er sich direkt neben mich auf den Boden der Bungalow-Terrasse und beginnt zu Schnarchen.

Na dann, La La Salaam!

Pangane

Freitag, 17.08.2012

NIght-Volumes

Die Nacht war eher mäßig, der Bademeister schlief nicht nur augenscheinlich, sondern ohrenbetäubend zwei Meter vor unserem Auto. Sonores Schnarchen, Schnappen und Seufzen war die Folge. Weder Türknallen, Radio oder Vorbeitrampeln mit aufsprühendem Sand konnte das für mehr als acht Minuten unterbinden. La La!

Ganz ehrlich: der Grundgedanke von maximaler Sicherheit am Auto ist ja durchaus lobenswert, nur an der Umsetzung hapert´s gewaltig!

Nicht nur der Bademeister hielt mich massiv auf Abstand von gelobten Träumeland, nein, auch der Muezzin war wieder am Start. So öffne ich die Toyota-Tür erneut viel zu früh für meinen Geschmack und staune: gut geschlafen scheint wenigstens Einer zu haben, denn direkt zehn Zentimeter vor unserem Auto hat Bademeister aka Schleicher-José schon: a) lautlos unseren Müll entfernt, b) einen frisch gefüllten Klo-Spül-Eimer hingestellt, c) eine neue Basttasche beigefügt, d) einen geputzten Plastiktisch herangeschleppt und e) den Grill ausgeleert. Satte Leistung. Und das um halb sechs!

„Ta Ta!“, schreit´s da auch schon direkt hinter mir, ich zucke zusammen und sehe, natürlich, den Bademeister. Heute wieder in Rot-Weiss. Die Tagesuniform. „Ta Ta!“, wiederholt er da und weil ich noch nicht denken kann, entscheide ich mich dafür, das einfach mal zu wiederholen. „Ta Ta!“. Da lacht José und wünscht mir einen schönen Tag. Ich murmle irgendwas und verschwinde wieder im Auto.

Nachdem ich fünfzehn Minuten sitzend auf der Innenbank verbracht habe, checke ich via Vorhang-zur-Seite-Schieben die Aussenlage. Kein Bademeister in Sicht. Doch ich bin vorsichtig. Hat ja noch nichts zu heissen. Der liegt bestimmt perfekt getarnt im Sand vor dem Auto. Ich gucke nochmal. Halte Ausschau nach Rot-Weiss. Doch keine Badekappe am Strand und so wage ich mich raus.

Die Sonne steht schon schräg am hellblauen Himmel und die Fischer gehen ihrem Gewerbe nach. Das heißt, die sind schon fast wieder fertig. Abwechselnd bringen sie Fühler schwingende Langusten, nasse Muscheln, zappelnde Krebse, zuckende Fische und krakelnde Tintenfische zu mir heran. „No...“, nee, echt jetzt nicht. Sorry, aber es ist kurz nach sechs! Wenn mir jetzt noch einer so ´nen Fisch unter die Nase hält muss ich Kotzen. Echt!

Und dann erscheint der Bademeister. Löst sich langsam von der Camouflage-Palme, wie konnte ich ihn nur trotz heutiger Neon-grüner-Badehose in Kombi mit der rot-weissen Tageskappe nicht sichten? Ein Rätsel! Jedenfalls schlürft er nun heran, hält die Hand triumphierend hoch - und schenkt mir eine Muschel! Ich bedanke mich herzlich, doch, Sorry, José, ehrliches „Lo siento“, aber quatschen geht jetzt wirklich noch nicht, bin doch noch im Halbkoma. Schlafstunden: geschätzte 2,5. Dank Dir, übrigens, füge ich allerdings nur geistig hinzu. Stattdessen nuschle ich zwei, drei Höflichkeitsformel und wandle mit geschlossenen Augen Richtung Toyota.

Dort krabbele ich wieder in die sichere, aber dunkle Höhle des Autos und überlege, was ich tun könnte. Georg schläft fest und friedlich, hat er auch verdient, nach der Bademeister-Schnarch-Nacht. Ich entscheide mich spontan für einen weiteren Kamikaze-Ausflug ins Dorf, werfe ein paar Scheine ins Täschchen, die Bluse um die Schultern und die Hose um die Knie.

Im Dorf wuselts jetzt schon wieder enorm, doch trotzdem finde ich schnell einen wunderschönen Stoff und muss ihn kaufen. Bevor ich noch mehr an mich reissen muss, reisse ich mich schweren Herzens los und wackle Richtung Campground. Also jetzt in Anführungszeichen. Campground kann man es ja nicht wirklich nennen. Wobei...mit diesem Service ja schon wieder Luxus-Klasse. Andere würden jedenfalls für diesen Katalog-Privatstrand á la Robinson Crusoe mit Bungalow, Panorama-Blick und eigenem Badekappen-"Freitag" mal so locker 300 Dollar löhnen.

Auf halbem Weg begegnet mir wieder Djania, mit Freundinnen an der Hand. Schnell kommt sie herüber und lacht mich an. „Bandana?“...hast du dir ein Wickeldings gekauft, soll das wohl heissen, denn sie deutet auf meine Tüte. „Si, si!“, grinse ich „Lindo!“, ist schön, nicht wahr! Schwuppdiwupp, holla-die-Waldfee-schnell, zuppeldidupp – bin ich komplett von oben bis unten eingewrapt. Nur das Gesicht noch frei. Hab´s beinah nicht mitbekommen, so schnell ging das. „Bravo!“, schreien sie und ihre heranlaufenden Freundinnen und „Bom! Bom!“. Ich bin irritiert und verlegen und rot vom Schwitzen, doch jetzt megadicke mit den Mädchen, denn die lassen mich gar nicht mehr los und laden mich ein - zum Hinsetzen. Ist ja Rammadan, drum gibt´s gerade nix zu essen oder trinken. Mir ist so elendig heiß, dass ich fast umkippe.

Ich bleibe eine halbe Höflichkeits-Stunde sitzen, lächle und lasse mir über das Kopftuch streicheln, bevor ich mich auf den schwitzigen Nach-Hause-Weg mache.Dort angekommen bemerkt Georg: „Der Bademeister sagt, du bist ne 'gute Frau!'. Die Frauen des Dorfes sind stolz auf dich!“ Ach ja, die Buschtrommeln! Mindestens so laut wie der Muezzin...

PAngane

Samstag, 18.08.2012

Aus die MAus

Nun gut, wir schreiben Tag Fünf am wunderbaren Sandkasten-Platz mit 300 Dollar-View – und ich hab´s mir mächtig verschissen. Und das ging so:

Unser schleichender Bademeister-José hat uns mittlerweile so ins Herz geschlossen, dass er keine Sekunde von unserer Seite weicht. Twenty-Four-Seven! - Gastfreundschaft? Sicherheitsgründe? Langeweile?

Genau weiss das wohl nur José, doch ich bekomme nach 24 stündiger Dauerüberwachung im Intimabstand Minus 5 Beklemmungsängste. Ordentliche. Von früh bis spät sitzt, steht, spricht, liegt, schläft, José 35 Zentimeter von unseren Körpern entfernt. Aaargh! Als er uns am Nachmittag in den Bungalow folgt und sich 15 Zentimeter von meinen Füßen entfernt zusammenrollt, einsackt und so laut scharcht, dass ich der Handlung meines Romans nicht mehr folgen kann, werde ich ernsthaft sauer. Um einem Ausbruch keine Chance zu geben, entscheide ich mich für die Flucht an den - zugegeben idyllischen - Strand und kehre erst nach ein paar Stunden zurück, um einen sichtlich genervten Georg und den in Volume 20 schnarchend-seufzenden Bademeister anzutreffen.

„Jetzt reicht´s, Schatz!“, sage ich laut und bin kurz davor, doch noch auszubrechen. Ohhhmm. Doch wie immer halten Schatzi und mein beruhigendes „Ohhhm-Zefix“ mich zurück. „Ach, der wird dann schon gehen, wir haben ja heute Essen bei ihm bestellt, das muss er ja kochen.“ Also gut, ich schlucke den aufkeimenden Ärger hinunter und warte bis 18.30 Uhr, als Hashim vorbeikommt und uns mitteilt, bald gebe es Dinner.

José erwacht laut schnappend und teilt uns lachend mit, für morgen hat er eine kleine „Cabrita“ (Zicklein) bestellt, die gibt’s dann für die ganze 7-köpfige-Familie zum großen Ende-des-Rammadan-Fest. Er wäre Geschenken gegenüber auch durchaus aufgeschlossen...Ich bin leider nicht mehr im Stande zu plaudern, geschweige denn zu schenken bin ich doch a) völlig unterzuckert, b) übermüdet und c) meiner Freiheit beraubt.

Derzeit legt mein Gehirn-Tonspur-DJ einen fließenden Übergang von "Bacardi Feeling" zu "Don´t push me, ´cause I´m close to the edge" hin.

So vergeht die nächste Stunde, in der ich jede einzelne Minute darüber nachdenke, wie ich dem Bademeister jetzt mitteile, er müsse gehen. Jetzt! Eine Idee schießt mir in den Kopf, ich hole die Kerze aus dem Auto, stelle sie auf, entzünde das Licht und schon ragt eine verwunderte Badekappe in die Höhe. Über den Tisch. Nun sehe ich auch Augen.

„José...“, beginne ich zögernd. Wie soll ich es nur sagen? José guckt mich an. „José...sabes...es una noite romantico para mi marido y mi...“ (weißt du...es ist eine romantische Nacht für mich und meinen Mann...). José checkt es nicht. Leider. Ich muss fortfahren, Gott, wie ich das hasse: „Puedes, por favor...“ (könntest du bitte...), hauche ich so sanft wie möglich. Da reisst er die Augen auf, die Kappe dreht sich auf weiss, er ist höchst perplex und bellt „Ir?“ (gehen). Ein beleidigtes „Claro, no problema!!“ folgt. Ok, war vielleicht jetzt nicht so urdiplomatisch von mir. Ich schiebe das mal auf meinen prägnant-simplizierten portugiesischen Wortschatz. Abgang José.

Kurz darauf knallt er so gar nicht mehr schleicherisch die Schüsseln mit den bestellten Matopos ($5, traditionelles Reis-Peanut-Kokos-Creme-Gericht, in unserem Fall mit Spinat, Zwiebeln&Co, allerdings ausgeschlagenen Tintenfischringen) auf den Tisch. Kein Besteck, kein Teller. Auf Nachfrage deutet er unwirsch an: habt ihr doch im Auto.

Nun gut, ich hole Fehlendes.

Und dann geht alles schief:
die Kerze fackelt zusammen mit dem selbstgebastelten Windlicht in hohen Flammen ab, meine einzige Porzellan-Tasse zerbricht beim Besteck-Holen in tausend Scherben, im Essen sind drei Kubikliter Sand, der stumpf zwischen den Zähnen knirscht, vom Plastik-Teller (!) löst sich der Rand. In meine Gedanken schleicht sich ein leises ungläubiges Rätsel: José der Hexen-& Bademeister?

Das Wetter ändert sich dramatisch, ebenso wie meine Bauchflora. Georgs Bierdose wird vom Tisch gefegt, der Inhalt verschüttet, ich laufe eine erste Runde in strömendem Regen – zur Toilette.

Von jetzt auf gleich sitze ich schweißüberströmt mit Regenschirm auf dem rustikalen Outdoor-Klo und wünsche mir nur vier Dinge: Gesundheit, Ruhe, Friede und sandloses Essen!

Am nächsten Morgen fehlt nicht nur die Basttasche, sondern auch die Service-Eimer, ich winde mich unter Schüttelfrost, habe Fieber, die halbe Nacht mit einem kaputten Regenschirm auf dem Klo verbracht und Georg´s geliebte Crocs sind verschwunden...

on the road

Dienstag, 21.08.2012

Schlafmangel
& Andere Katastrophen

Tja, wir haben irgendwie einen schlechten Lauf. Nicht, dass ich an Dinge wie diese glaube, aber es könnte dennoch, unter großen Umständen sein, dass unser lieber José der ganz besondere Spezl vom Vodoo-Meister höchstpersönlich war. Wie lässt es sich sonst erklären, dass eine Aneinanderreihung mittlerer Katastrophen dem Aufenthalt in Hashim´s Camp folgte.

Erst finden sich Sandkörner im Verschlussmechanismus der Kamera, dann ist der Laderegler im Auto kurz vorm Abnippeln, Georg bekommt mysteriöse Zahnschmerzen und ich sitze natürlich immer noch mit Regenschirm auf dem Klo. Leider mit Kaputtem. Die Strebe ist gebrochen, der Schirm sieht mitleidserregend aus. Ganz wie ich. Nass und leidend. Hinzu kommen apathische Zustände dank Mörder-Schlafentzug.

In meinen fantastischsten Träumen konnte ich mir nicht vorstellen, was mich alles von ebendiesen abhalten kann. Und das seit über sechs grauenvollen Wochen...

Einfach mal so von schnarchenden José´s in der Mitte der Nacht und kurz davor und lang danach und immer wieder geweckt zu werden stellt ja an und für sich erst mal kein Problem dar. Das Problem entwickelt sich erst als solches, wenn nach schnarchenden José´s kreischende Bushbabies einsetzen, die von klonkenden Fröschen musikalisch untermalt werden. Mittenrein ins mitternächtliche Deliriums-Konzert mischt sich danach die Megaphon-Stimme des unnachgiebigen Muezzins, um kurz darauf vom völlig verstörten Hahn abgelöst zu werden.

Der kennt sich jetzt nämlich gar nicht mehr aus, immerhin ist er sonst weltweit der Erste, der am Morgen schreit. Nun schon mal halbwach hört mein sensibles Ohr natürlich auch die Töne der Shebeen-Kneipe vom Dorf, Musikfetzen von der Beach-Bar nebenan, Partygäste, die laut kreischend, lallend und pöbelnd nach Hause torkeln und einen Megapenner, der direkt vorm Auto neue Handy-Klingeltöne ausprobiert. Das lässt sich der Muezzin so natürlich nicht bieten und setzt erneut einen Come-to-me-Call frei. Jetzt geht’s draussen dann richtig ab, die Fischer kommen zurück vom Nachtausflug, bequatschen ihre Beute fünf Zentimeter von uns entfernt, Kinder fangen an zu heulen, Frauen stampfen vorbei. Plastikmüll wird nebenan verbrannt, der Wecker der Nachbarn klingelt. Geht’s noch?!

Nun dämmert´s langsam draussen, auch die interne Mücke ist jetzt wach, die summt an meinem Ohr und ich drücke mein Kissen auf dasselbige. Fast kriege ich keine Luft mehr, also lockere ich den Daunendruck, muss aber sofort feststellen, dass das die falsche Entscheidung war.

Der Hahn ist mittlerweile völlig ausser sich, seine Chicken krähen sich die Kehle aus dem Leib, nun sind auch noch Esel, Vögel und Hunde am Start – und die alle kläffen, krähen, piepsen, fiepen, flattern und jaulen hingebungsvoll für die Vollendung des Höllenkonzerts in trauter Harmonie, während ich frustriert meine Augenlider aufeinanderpresse. So heftig, dass ich nun wirklich nicht mehr sagen kann, woher die Tränen kommen. Verzweiflung, Schlafmangel, einsetzende Depression oder der reine Pressdruck?!

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